Deutsche Ferienstraße – Teil I
Die Wiederentdeckung der deutschen “Route 66”
Der Königssee zählt zu den saubersten Seen Deutschlands, da er keine Zuflüsse hat und nur von Regen- und Gletscherwasser gespeist wird. Fast lautlos gleitet das Elektroboot der Königssee Schifffahrt über den See. Und wie seit Jahrzehnten wird an der richtigen Stelle angehalten und das Trompetenecho vorgeführt. Beeindruckend und publikumswirksam, damit die Kapitänsmütze bei der anschließenden Schiffsrundfahrt auch ordentlich mit Trinkgeld gefüllt wird. Schön! Eine gute halbe Stunde dauert die Fahrt nach St. Bartholomä, dem Kirchlein fast am Ende des Sees. Die einen schauen sich das barocke Kirchlein an, die anderen marschieren zielstrebig in den angrenzenden Biergarten. Natürlich kann man auch beides kombinieren!
Die höchstgelegene Panoramastraße Deutschlands führt direkt in die einzigartige hochalpine Bergwelt des Berchtesgadener Landes. Sie ist bequem von Berchtesgaden über den Obersalzberg oder von Unterau aus zu erreichen. Ich beginne meine Tour in den frühen Morgenstunden. In der Morgendämmerung zeigt sich die herrliche Landschaft in einem ganz besonderen Licht. Mir bietet sich ein herrlicher Rundblick auf die gewaltigen Bergmassive des Kehlsteins, des Dachsteingebirges sowie auf das Berchtesgadener und Salzburger Land.
Über 1.100 Höhenmeter geht es bergauf und bergab bis auf 1.570 Meter im Scheitelbereich mit einer maximalen Steigung von 13%. Wer wie ich die direkte Abfahrt von der Bushaltestelle zum Kehlsteinhaus in Berchtesgaden wählt, hat immerhin 24% Gefälle und im Tal heiße Bremsen! Ich bin von der Strecke so begeistert, dass ich die Panoramastraße am nächsten Morgen noch einmal fahre, diesmal aber von der Südseite. So sehe ich die Berge einmal “von vorne” und einmal “von hinten”!
Das schöne Städtchen Berchtesgaden lädt zum Bummeln und Schauen ein. Die Innenstadt ist nicht besonders groß, obwohl Berchtesgaden Kreisstadt ist. Zentrum ist der Markt mit Schloss und Stiftskirche. Von der Oberstadt aus hat man einen herrlichen Blick auf die mächtigen Bergmassive.
Mein Spaziergang dauert nicht lange, ich will noch einmal zum Königsee zurück. Und ich genieße den Tag in der herrlichen Landschaft.
Schweren Herzens trenne ich mich am nächsten Morgen vom Königsee und mache mich auf den Weg zu meiner “Route 66”, der “Deutschen Ferienstraße”. Es ist einfach zu schön hier! Ramsau ist mein Ziel. Beliebtestes Fotomotiv ist das hübsche Kirchlein im Ort. Millionenfach fotografiert von Besuchern aus aller Welt. Und vielen Malern des 19. Jahrhunderts diente es als Motiv für Weihnachtskarten.
Der Hintersee bei Ramsau ist bezaubernd. Am See vorbei will ich auf kleinen, kurvigen Sträßchen Richtung Inzell fahren. Und die Sträßchen sind wirklich schmal. So schmal, dass selbst an den Ausweichstellen kaum zwei Autos aneinander vorbei passen. Auf der Fahrbahn stehen Kühe, die nur widerwillig Platz machen. Kilometerlang geht es auf engen und bergigen Sträßchen Richtung Inzell und Traunstein. Ein herrliches Fahrvergnügen!
Die Große Kreisstadt Traunstein ist die größte Stadt im Chiemgau. Und wie in vielen bayerischen Städten gibt es auch hier den langgezogenen zentralen Marktplatz, nur dass er in Traunstein Stadtplatz heißt. Hier schlägt das Herz der Stadt. Hier lässt es sich gut bummeln, viele Straßencafés laden zum Bleiben und Beobachten ein.
Traunstein kann nicht mit großartigen Baudenkmälern aufwarten. Dreimal wurde die Stadt bis auf die Grundmauern zerstört. Im Mittelalter erlebte die Stadt einen großen Aufschwung durch den Handel mit Salz, das damals als kostbares Gut galt. Schon die alten Römerstraßen führten durch Traunstein.
Weiter geht es an den Chiemsee nach Seeon-Seebruck. Hier geht es etwas nobler und eleganter zu. Viele Segelboote und kleine Yachten liegen im Hafen. Ich bin sehr erstaunt, dass auf einem kleinen Parkplatz direkt am Strand das Parken von Wohnmobilen auch über Nacht erlaubt ist. Nachdem ich am Parkautomaten meine liebe Mühe hatte, einen passenden Parkschein zu ziehen (nein, ich fahre kein Auto mit Anhänger), mache ich es mir gemütlich und genieße einen durchwachsenen EM-Fußballabend im Fernsehen (Deutschland – Frankreich 0:1). Aber danach auf dem Bootssteg am Chiemsee zu sitzen ist herrlich! Vor mir die ganze Weite des „Bayerischen Meeres“ mit einem überwältigenden Blick auf die majestätische Alpenkette von den Berchtesgadener Alpen bis zum Wendelstein.
Vorbei an saftig grünen, fetten Wiesen, Kuhglockengebimmel und Heuduft fahre ich am Kloster Seeon, ehemalige Benediktinerabtei, heute Tagungszentrum und Hotel, vorbei nach Wasserburg am Inn.
Wasserburg am Inn ist eine wunderschöne Stadt! Ich fühle mich sofort wohl in dieser charmanten, italienisch anmutenden und lebendigen Stadt. Wasserburg überrascht mit einer einzigartigen Lage. Die Stadt wird fast von allen Seiten vom Inn umflossen. Der mächtige Inn und das gegenüberliegende Steilufer umschließen die fast vollständig erhaltene mittelalterliche Altstadt und bieten ein einzigartiges Panorama. Prächtige Patrizierhäuser mit ihren Laubengängen, das Schloss aus dem 12. Jahrhundert, enge Gassen, edle Geschäfte und kleine Cafés laden zum Bummeln und Verweilen ein.
Wasserburg ist eine alte Handelsstadt die am Schnittpunkt einst wichtiger Handelswege zu Land und zu Wasser entstanden ist. Das historische Stadtbild, die hübschen Fassaden, die vielen engen Durchgänge, die Hinterhöfe und vor allem das rege Leben auf den Plätzen und in den Gassen vermitteln ein wunderbares Flair. Seine Bedeutung verdankt der Ort dem Salzhandel. In Wasserburg endete die erste Etappe der Salzstraße nach Südwestdeutschland.
Taufkirchen an der Vils ist im direkten Vergleich zu Wasserburg sehr schlicht. Selbst der offizielle Wohnmobilstellplatz ist sehr einfach, ein Stellplatz für wenige Wohnmobile, die Wasserversorgung ist offensichtlich schon länger defekt. Und das alles in der prallen Sonne. Da will ich nicht stehen, denn die Temperaturen sind seit Tagen hochsommerlich. Ich suche auf Google-Maps den Sportplatz von Taufkirchen und finde ein idyllisches Plätzchen im Schatten uralter Weiden. Und den Rest des Tages und der Nacht kommt niemand mehr vorbei!
Die Isarstadt Landshut ist von Taufkirchen aus in einer halben Stunde zu erreichen. Und wie schon in Wasserburg bin ich sofort von der Stadt begeistert. Die über 800 Jahre alte Stadt hat Stil. Es ist inspirierend, durch die Gassen der Altstadt zu schlendern, zu staunen und wieder einmal zu spüren: Mir geht es gut!
Am Eingang des Donaudurchbruchs durch den Jura liegt das Kloster Weltenburg. Die von den Gebrüdern Asam in den Jahren 1716-1739 erbaute und ausgestattete Klosterkirche zählt zu den Höhepunkten des Barock.
Das Besondere an Kelheim ist die Lage zwischen Donau und Altmühl. Egal aus welcher Richtung man sich Kelheim nähert, der Blick fällt immer zuerst auf die Befreiungshalle hoch über der Donau. König Ludwig I. ließ sie zur Erinnerung an die siegreichen Schlachten gegen Napoleon errichten.
Im Inneren drängen sich 34 Siegesgöttinnen aus weißem Marmor. Sie tragen vergoldete Schilde, die aus der Bronze eingeschmolzener Kanonen entstanden sein sollen.
Dramatisch ist der Donaudurchbruch bei Weltenburg. In der Weltenburger Enge bahnt sich die Donau in einer Schlucht ihren Weg durch den harten Jurakalk. Mit einem kleinen Passagierschiff fahre ich von Kelheim zum Kloster Weltenburg. Erst vom Wasser aus erschließt sich die einzigartige Landschaft der bis zu 40 Meter hohen Felsen in ihrer ganzen Schönheit.
Mit der Mündung der Altmühl in die Donau bei Kelheim beginnt der landschaftlich reizvolle Abschnitt durch das liebliche Altmühltal. Bis Riedenburg zwängt sich die Altmühl noch durch ein enges Tal mit steilen Felswänden, um sich dann immer mehr zu weiten. Eine abwechslungsreiche und sehenswerte Landschaft.
Über Riedenburg und Dietfurt geht es immer direkt an der Altmühl entlang nach Kipfenberg.
Mein Faible für die original “Schwäbisch-Alemannische Fasnet” ist bekannt. Das Besondere am Markt Kipfenberg ist nun, dass hier eine Fasnet mit ähnlichen “Häsern” und mit handgeschnitzten Holzmasken gefeiert wird wie im Südwesten Deutschlands. Ich stelle mir die Verbreitung dieser Art von Fasnet so vor, dass ausgehend vom Nürnberger Schembartlauf (der Urform der Fasnet schlechthin) sich die Tradition entlang der Altmühl und der Donau ausgebreitet hat. Faszinierend! Leider hat das Fasenickel-Museum in Kipfenberg geschlossen, denn ich hätte mir die Figuren gerne noch einmal angeschaut.
Vorbei an Pappenheim (Stammsitz des Pappenheimer Hochadels und Namensgeber für den Ausspruch in Schillers Drama “Wallensteins Tod”: “Daran erkenne ich meine Pappenheimer”) erreiche ich Eichstätt an der Altmühl.
Nach einer sehr unruhigen Nacht mit extremen Unwettern, Starkregen, Hagel und Sturmböen zeigt sich der Morgen, als wäre nichts gewesen. Die Sonne lacht vom Himmel, die Vögel zwitschern und es ist Gott sei Dank deutlich kühler geworden.
Vom Übernachtungsplatz auf dem Festplatz an der Altmühl ist es ein ordentlicher Fußmarsch bis in die Innenstadt von Eichstätt. Die Stadt ist konservativ, aufgeräumt, katholisch. Kein Wunder, denn hier ist direkt neben dem Dom die einzige katholische Universität im deutschsprachigen Raum.
Leider ist der Dom wegen umfangreicher Renovierungsarbeiten geschlossen. Aber es ist schön, durch die Gassen zu schlendern und den Ort zu genießen.
Dinkelsbühl ist der Inbegriff der Romantik. Kleine hübsche Brunnen, Blumenkästen an den Fachwerkfenstern, das alles ist einmalig schön! Schon vor 1000 Jahren gab es einen geschlossenen Mauerring um die Stadt, der dafür sorgte, dass das Stadtbild bis heute erhalten blieb. Aufgrund des außergewöhnlich gut erhaltenen spätmittelalterlichen Stadtbildes hat sich die ehemalige Reichsstadt zu einem bedeutenden Fremdenverkehrsort an der Romantischen Straße entwickelt.
Die Stadt hat so viele Sehenswürdigkeiten, dass man unbedingt eine Stadtführung machen sollte. Zu viele Details und schöne Geschichten würden einem sonst entgehen. Und ich entdecke immer wieder Neues und Interessantes…
Die Kinderzeche in Dinkelsbühl ist ein Kinder- und Heimatfest, das auf ein im 17. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähntes Schülerfest zurückgeht. Bei dem seit 1897 stattfindenden Fest wird eine lokale Sage nachgespielt, nach der im Dreißigjährigen Krieg Dinkelsbühler Kinder die Stadt vor den Schweden gerettet haben sollen. Sie steht im Zusammenhang mit der Belagerung der Stadt im Jahre 1632. Das außerordentlich schöne und eindrucksvolle Fest findet immer an den beiden Wochenenden um den dritten Montag im Juli statt.
Auf der Weiterfahrt von Dinkelsbühl nach Ellwangen an der Jagst heißt mich ein Schild freundlich willkommen: Willkommen in Baden-Württemberg! Ich bin also auf meiner langen Fahrt entlang der “Ferienstraße Deutschland” im “Ländle” angekommen.
Den Marktplatz von Ellwangen beherrscht die romanische Basilika St. Vitus. Gleich daneben steht die evangelische Stadtkirche, zwischen beiden gibt es sogar eine direkte Verbindungstür – ein Kuriosum.
Hoch über Ellwangen thront auf dem Schönenberg eine weitere imposante Kirche. Sie ist seit fast 400 Jahren ein bedeutender Wallfahrtsort. Vom Schönenberg aus hat man einen herrlichen Blick auf die Altstadt von Ellwangen.
Schwäbisch Hall erstreckt sich an den steilen Hängen des Kochers. Viele kleine Treppen, Durchgänge und enge, steile Straßen und Gassen prägen das Bild dieser schönen Stadt. Die Lage hat allerdings zur Folge, dass es für Autos fast nur Parkplätze gibt, die in die Hänge gegraben wurden. Keine gute Situation für Wohnmobilisten. Also fahre ich einfach auf den Wohnmobilstellplatz … dachte ich mir. Immer den Schildern nach, unter einer Brücke mit 2,80 Meter Durchfahrtshöhe durch (geht gerade so), weiter den Schildern nach … und schon stehe ich vor einem Parkhaus. Natürlich viel zu klein für mein Fahrzeug. Also umdrehen (geht auch gerade so), wieder von vorne, und wieder stehe ich vor der viel zu niedrigen Einfahrt. Was haben die denn hier für Wohnmobile? Ich will schon aufgeben, als ich doch noch einen Platz an der Hauptstraße finde. Glück gehabt!
Umso entspannter ist ein Bummel durch die Altstadt. Auf der großen Freitreppe der Michaelskirche am Marktplatz finden die Proben für die jährlichen Freilichtspiele statt. Jeder kann zuschauen und ich verbringe viel Zeit mit dieser Abwechslung.
Vorbei an Jagsthausen – hier war Götz von Berlichingen zu Hause – geht es auf den für das Schwabenland so typischen kurvenreichen Straßen weiter in Richtung Bad Wimpfen. Die Silhouette der Stadt hoch über dem Neckar ist weithin sichtbar und wird von der mittelalterlichen Burganlage geprägt.
Weiter am Neckar entlang erreiche ich Eberbach, ein sehr verschlafenes Städtchen im Neckartal. Schöne Fachwerkhäuser sind in der Altstadt zu sehen, kleine altmodische Läden und Geschäfte, viele leider von den Besitzern aufgegeben und die Ladenlokale schon leer geräumt.
Wer mit dem Schiff auf dem Neckar nach Heidelberg fahren möchte, kann dies von hier aus tun.
Mitten im Odenwald liegt das Städtchen Erbach. Zuerst bin ich enttäuscht, denn der Ort sieht nicht sehr attraktiv aus, aber auf den zweiten Blick entpuppt er sich als wirklich sehr schön. Nur kulinarisch ist der Ort leider keine Offenbarung.
Schon tief im Spessart erreiche ich das wunderschöne Wasserschloss Mespelbrunn, auch “Perle des Spessarts” genannt. Spätestens seit dem Film “Das Wirtshaus im Spessart” ist das Wasserschloss bekannt. Heute zählt es zu den romantischsten Sehenswürdigkeiten Deutschlands.