Frankreich von Nord nach Süd – Teil I
Von der nördlichsten bis zur südlichsten Gemeinde in Frankreich
Die klassischen Reiserouten durch Frankreich verlaufen meist von Ost nach West. Entlang der Loire, von der Normandie in die Bretagne, entlang der Pyrenäen. Eine Ausnahme bildet vielleicht die Atlantikküste zwischen Nantes und Biarritz. Eher ungewöhnlich ist eine Reise von Norden nach Süden. Ausgangspunkt ist Bray-Dunes, die nördlichste Gemeinde Frankreichs. Das Ziel ist Lamanère, tief in den Pyrenäen.
Unsere Route führt über besonders sehenswerte Straßen, wie sie in den Michelin-Straßenkarten verzeichnet sind. Das sind die grün markierten Streckenabschnitte.
Wir haben Frankreich schon aus allen möglichen Blickwinkeln und auf allen möglichen Reisen gesehen. Natürlich haben wir dabei meist die touristisch interessantesten Ziele angesteuert. Diese Reise soll anders verlaufen. Wir suchen den (kürzesten) Weg vom hohen Norden in den Süden, nehmen dabei in Kauf, auch durch weniger attraktive Gegenden zu fahren, um genau das Frankreich zu finden, das wir suchen: das ursprüngliche, nicht vom Tourismus geprägte.
Und das wird uns nicht gelingen. Denn zu viele interessante und deshalb auch bekannte und viel bedeutende Sehenswürdigkeiten und Städte liegen auf dem Weg. Aber das Dazwischen … darauf kommt es uns ebenfalls an!
Bray-Dunes ist die nördlichste französische Gemeinde auf dem europäischen Festland. Direkt an der Grenze zu Belgien liegt La Panne, die westlichste Gemeinde Belgiens.
Wir fahren durch die belgische Stadt La Panne und sehen am Straßenrand einen Verkaufsstand neben dem anderen. Alle bieten Zigaretten und andere Tabakwaren an. Sie sind hier viel billiger als in Frankreich. Dafür können die Belgier in Frankreich viel billiger tanken oder einkaufen.
Die französische Kleinstadt Bray-Dunes befindet sich noch im Winterschlaf. Viele Restaurants, Bistros und Cafés sind geschlossen, die Rollläden zu, die Stühle auf den Tischen. Der sommerliche Touristenrummel am Strand und in der Stadt ist zu erahnen. Doch Ende April ist hier oben im kalten Norden Frankreichs noch kein Tourist zu weit und breit.
Der Wind bläst heftig, für den Spaziergang durch Bray-Dunes müssen wir unsere Winterjacken anziehen, um nicht zu frieren. Die Restaurants und Cafés sind geschlossen, aus dem feinen Abendessen zum Start unserer Tour wird wohl nichts.
Die Dünen und die langen Sandstrände an der Nordsee haben dem Ort seinen Namen gegeben. Bray-Dunes (und im benachbarten Belgien) ist ein bedeutendes Naturschutzgebiet mit vielen seltenen Pflanzen, Reptilien, Vögeln und sogar Seehunden. Für ausgedehnte Spaziergänge sind markierte Wanderwege angelegt.
Bergues, das Städtchen in Französisch-Flandern, erwartet uns mit allen Vorurteilen, die man nach dem Film “Willkommen bei den Sch`tis” haben kann. Es ist kalt, es regnet, es stürmt. Das hübsche Städtchen ist durch die erfolgreichste französische Filmkomödie berühmt geworden. In jedem Bistro, in jedem Restaurant, überall hängen Bilder und Plakate aus dem Film. Und tatsächlich, wer aufmerksam durch den Ort schlendert, kann so manche Szene aus dem Film zuordnen.
Und so lassen wir uns einen Pastis im Café de la Poste schmecken, einem der Schauplätze, an denen die Komödie gedreht wurde.
Das unbeständige Wetter lässt uns nicht lange in Bergues verweilen. Der Himmel ist grau und regnerisch. Wir wollen weiter. Entlang kleiner Kanäle und Schleusen geht es durch eine herrlich grüne Landschaft Richtung Süden nach St. Omer.
Ganz im Osten des Pas-de-Calais liegt Saint-Omer, die Stadt der Kunst und Geschichte. Diesen Ruf verdankt sie vor allem ihrer gotischen Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert. Es dauerte weitere 300 Jahre, bis die Kirche vollendet war. Das majestätische Bauwerk gilt als schönster Sakralbau der Region. Rund um die Kathedrale, in der hübschen Altstadt mit ihren schönen Bürgerhäusern, lassen wir uns durch die kleinen Gassen treiben und bestaunen das Städtchen.
St. Omer hat einen sehr schönen Wohnmobilstellplatz … direkt an der Bahnlinie! Leider ist es hier sehr, sehr laut. Im Abstand von 10 Metern donnern endlose Güterzüge an unserem Wohnmobil vorbei. Nachts ist zum Glück deutlich weniger Zugverkehr und wir schlafen erstaunlich gut.
Wir fahren weiter in Richtung Arras, legen aber vor der Stadt noch einen Zwischenstopp ein. In Avion finden wir einen sehr schönen und ruhigen Übernachtungsplatz. Nach der letzten Nacht an der Bahnlinie ist das Erholung pur.
Arras gefällt uns auf Anhieb! Die drittgrößte Stadt des Départements Pas-de-Calais ist berühmt für ihre beiden wunderschönen Plätze: den Grand’Place und den Place des Héros. Die Plätze sind mit Bürgerhäusern im flämischen Stil bebaut und von überdachten Arkaden mit Feinschmeckerläden und Cafés umgeben.
Wir gehen in ein Bistro, um einen Kaffee zu trinken. Beim Umrühren bemerke ich, dass etwas in der Tasse schwimmt. Ein undefinierbares Teil aus Plastik oder Haut. Der Kellner ist jedenfalls sehr erstaunt, als ich ihm diesen Gegenstand zeige. Aber fast noch mehr wundert er sich darüber, dass ich eine frische Tasse Kaffee möchte!
Der Reiseführer spricht von einer sehenswerten Kathedrale. Wir machen einen langen Fußmarsch durch die ganze Stadt und landen vor einem Klarissenkloster, das geschlossen ist und nicht besichtigt werden kann. Gott sei Dank bringt uns ein kostenloser Stadtbus zurück ins Zentrum.
Wir suchen weiter nach der Kathedrale. Das ist gar nicht so einfach, denn sie hat keinen hohen Turm, den man von weitem sehen könnte. Als wir die Kathedrale endlich finden, ist sie leider geschlossen.
Wir machen uns auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz. An einer abgelegenen Straße entlang eines Parks finden wir einen sehr schönen Platz. Dort stehen auch einige andere Wohnmobile. Doch nach und nach fahren alle weg und so stehen wir plötzlich mutterseelenallein an einem sehr einsamen Ort. Wir machen uns wieder auf die Suche und finden die anderen Wohnmobile ein paar Straßen weiter wieder. Komisch!
Auf kleinen Straßen fahren wir Richtung Amiens und genießen den beginnenden Frühling. Frisches Grün und rechts und links goldgelb blühende Rapsfelder. Leider sind die Temperaturen noch nicht sehr frühlingshaft.
Amiens ist eine Stadt mit einer großen Universität und vielen Studenten. Neue und alte Architektur wurden harmonisch miteinander verbunden.
Der Stolz von Amiens und ein Juwel gotischer Kunst ist die Kathedrale Notre-Dame. Sie gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Mit 145 Metern Länge und 42 Metern Höhe ist sie das größte gotische Bauwerk und die größte Kathedrale Frankreichs!
In der Nähe der Kathedrale liegt das Viertel Saint-Leu, das auch das „kleine Venedig des Nordens“ genannt wird. Dieses alte Stadtviertel ist mit seinen hübschen kleinen Häusern sehr reizvoll. Amiens ist übrigens auch die Geburtsstadt von Jules Verne (“In 80 Tagen um die Welt”).
Auf engen, kurvenreichen Straßen geht es weiter nach Beauvais. Die Kathedrale Saint-Pierre hat eine interessante Geschichte. Die Kirche fiel zwei Bränden zum Opfer und stürzte während des Baus zweimal ein. Der Plan war, eine Kathedrale mit gigantischen Ausmaßen zu bauen. So groß, dass der Kölner Dom locker zweimal hineingepasst hätte. So blieb nach fast 400 Jahren Bauzeit leider nur das Querschiff stehen.
Wir machen wir uns auf den Weg nach Fontainebleau. Laut Navi gut zwei Stunden Fahrt. Tatsächlich sind wir über 4 Stunden unterwegs, da die Autobahn mit Ampeln ausgestattet ist. In unserer Fahrtrichtung ist viel Verkehr Richtung Paris (wie immer!). Die roten Ampeln stoppen den Verkehrsfluss, aber an den Einmündungen zur Hauptstraße steht vielleicht mal ein (1!) Auto zur Einfahrt.
Wir machen uns auf den Weg nach Fontainebleau. In Fontainebleau finden wir einen Übernachtungsplatz direkt am Schlosspark. Durch den wunderschönen Park gelangen wir in die Innenstadt. Die Anfahrt zu diesem Traumplatz ist allerdings abenteuerlich. Es ist ein Weg mit Pflastersteinen so groß wie Handbälle. Und so werden wir auf gut 200 Metern ordentlich durchgeschüttelt.
Im Zentrum gehen wir zu einem „Tabac”, in dem ein Automat der Telefonfirma „Free” steht. An diesem Automaten kann man SIM-Karten kaufen. Für 30 Euro bekommen wir 100 GB Datenvolumen im Internet. Ohne Vertrag. Vier Wochen gültig. Im Wohnmobil haben wir einen kleinen Router, der mit dieser Karte und über WLAN alle unsere Geräte ins Internet bringt. Perfekt!
Wir wollen heute Vormittag das Schloss besichtigen. Wir haben Glück, denn so früh sind nur wenige Besucher im Schloss. Aber im Laufe der Besichtigung werden es immer mehr. Die Touristenbusse und die Schulklassen sind angekommen.
Heute wollen wir entlang der Loire weiter nach Süden fahren. Bei Gien fallen uns Hunderte von Zigeunerwohnwagen auf. Es müssen Tausende sein, die auf einer großen Wiese stehen. Warum sie sich alle hier versammelt haben, wissen wir nicht. Als wir im Supermarkt unsere Gasflasche umtauschen wollen, ist alles ausverkauft. Kein Wunder bei den vielen Zigeunerwagen.
In Briare verbindet eine mit Wasser gefüllte Metallbrücke zwei Kanäle über die Loire. Die größte metallene Kanalbrücke Frankreichs überspannt in gut 20 Metern Höhe die Loire. Und das alles nur wenige Schritte von unserem Übernachtungsplatz entfernt.
Entlang der Loire und parallel zu einem kleinen Schifffahrtskanal geht es in südlicher Richtung nach Apremont-sur-Allier. Das mittelalterliche Dorf ist eines der schönsten Dörfer Frankreichs (Les Plus Beaux Villages de France). Seine hübschen Häuser wurden entlang des Flusses Allier gebaut. Ein schöner Ort für einen Spaziergang.
Als wir die Kirche erreichen, hören wir Musik aus dem Inneren. Am Abend ist ein Kammerkonzert geplant und wir können den Musikern bei der Orchesterprobe zuhören. Es ist wunderschön.
Weiter geht es entlang der Allier in Richtung Auvergne. Moulins lädt zu einem kleinen Stadtbummel ein. Der Stellplatz liegt direkt am Fluss. Aber es ist kalt geworden.