Frankreich von Nord nach Süd – Teil IV

4.8
(60)

Heute Nacht hat es ununterbrochen heftig gestürmt und das Wohnmobil kräftig durchgeschüttelt. Dazu hat ein heftiger Regen eingesetzt. Weiterfahren macht bei diesem Wetter keinen Sinn. Wir fahren zum Supermarkt, um unsere Vorräte aufzufüllen. Dabei stellen wir fest, dass die französische Gasflasche schon wieder leer ist. Kein Wunder, denn wir haben – zumindest nachts oder morgens – die Heizung an. Da es im Supermarkt volle Gasflaschen zum Tausch gibt, tauschen wir gleich hier. Wir fahren noch ins Zentrum und finden in der Markthalle ein Restaurant, in dem wir eine preiswerteund leckere “Plat du Jour” essen. Den ganzen Tag regnet es in Strömen. Und wir lassen den Rest des Tages gemütlich im warmen Wohnmobil mit der neuen, vollen Gasflasche verstreichen.

Regen, Regen, Regen

Am nächsten Tag hat der Regen aufgehört. Die Vögel zwitschern um die Wette. Aber der Morgen ist noch sehr kalt. Unser Weg führt weiter nach Süden, durch die „Montagne Noir“, die südlichsten Ausläufer des französischen Zentralmassivs, immerhin 1.200 Meter hoch. Hier wird das Wasser der nach Süden und Westen fließenden Bäche der „Montagne Noir“ gesammelt und dem „Canal du Midi“ zugeführt. Er macht dessen Betrieb erst möglich. Hier beginnen auch die Weinberge der Region.

Montagne Noir

Im Süden fällt das Mittelgebirge ab und wir erreichen Carcassonne. Die Burg von Carcassonne ist mit ihren drei Kilometern Wehrmauern und 52 Türmen die größte Festungsstadt Europas. Die eindrucksvolle mittelalterliche Anlage, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, ist eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Und so präsentiert sich auch die Stadt: Kitschläden, Getränkestände und eine Kneipe reiht sich an die andere. Und weit außerhalb der Ferienzeit: Menschen, Menschen, Menschen. Wir wollen dem Trubel entfliehen und am Abend noch einmal durch das Schloss schlendern, aber leider kommt der strömende Regen zurück. Schade. Immerhin gibt es heute Abend ESC aus Tel Aviv. Na ja…

Carcassonne
Carcassonne

Am nächsten Tag geht es weiter in Richtung Pyrenäen und ins Land der Katharer. In Carcassonne halten wir noch schnell beim Bäcker, um uns mit Baguette und herrlich duftenden Croissants einzudecken. Jetzt fehlt nur noch eine Bar, um sie mit einem heißen „Café au lait“ zu genießen. Also halten wir in Limoux und stehen direkt vor einer solchen.

Der Eingang ist in dichten Zigarettennebel gehüllt. Viele Menschen stehen draußen und rauchen ihre Glimmstängel. Drinnen sind nur Männer, die finster dreinschauen und eine Sprache sprechen, die wir nicht verstehen. Vielleicht schon Katalanisch? Dafür sind wir noch zu weit von der spanischen Grenze entfernt. Aber an den Wänden hängen Poster vom FC Barcelona. Vielleicht ist das der Treffpunkt der hier lebenden “Exil-Katalanen”? Nicht besonders entspannt trinken wir unseren Kaffee. Und das dauert, denn er wird wieder einmal brühend heiß serviert. Währenddessen stellt sich ein sehr alternativ aussehendes Pärchen neben uns an die Theke und erfüllt den Raum mit der Duftnote „Ich habe mich seit Wochen nicht gewaschen“. Puhhh. Aber die Croissants waren sehr gut…

Auf unseren Lieblingssträßchen (klein, kurvig und einspurig) fahren wir weiter in die Berge zum Château de Peyrepertuse. Die eindrucksvolle Katharerburg wird wegen ihrer Lage zu Recht auch die Zitadelle des Schwindels genannt. Vom Parkplatz an der Straße zur Burg führt ein steiler Pfad hinauf, der uns in 20 Minuten zu den Ruinen von Peyrepertuse führen würde – wenn wir wollten. Wir begnügen uns mit einem Blick nach oben. Das muss für heute reichen.

Da wir gerne auf schmalen Straßen fahren, wollen wir noch die Schlucht von Galamus besuchen, ein grandioses Naturschauspiel mit schwindelerregend hohen Kalksteinwänden. Leider ist die Straße, von der wir kommen, für Fahrzeuge mit einer Breite von mehr als zwei Metern gesperrt. Schade, aus dem Abenteuer wird nichts.

Also fahren wir nach Quillan, weil wir dort einen Übernachtungsplatz kennen. Neben diesem Platz findet bei unserer Ankunft ein lokales Boule-Turnier statt. Wahrscheinlich sind es Kneipenmannschaften, die daran teilnehmen. Urige Typen! So lieben wir Frankreich!

Chateau de Peyrepertuse

Der Naturpark der katalanischen Pyrenäen, der heute auf dem Programm steht, hat eine Fläche von 138.000 Hektar und liegt zwischen 300 und 3.000 Metern Höhe. Die weiten Ebenen, die außergewöhnliche Flora und das berühmte Canigou-Massiv machen das Naturschutzgebiet zu einem wahren Paradies.

Die Strecke zwischen Quillan und Villefranche-de-Conflent führt größtenteils durch dieses Gebiet und bietet herrliche Ausblicke auf enge Täler, weite Hochebenen und schneebedeckte Pyrenäengipfel.

Naturpark katalanische Pyrenäen
Naturpark katalanische Pyrenäen

Das Dorf Villefranche-de-Conflent (Les Plus Beaux Villages des France), das als Teil der Festungsanlagen von Vauban zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, liegt am Zusammenfluss der Flüsse Têt, Cady und Rotja am Fuße des Canigou-Massivs. Kunstgalerien, Souvenirläden und kleine Geschäfte mit lokalem Kunsthandwerk machen den Charme des Städtchens aus. Das Fort Libéria liegt hoch über Villefranche-de-Conflent und ist über einen steilen Pfad und 734 Stufen zu erklimmen … vielleicht beim nächsten Mal!

Villefranche-de-Conflent

Prades ist eine typische Kleinstadt in den Pyrenäen. Kleiner Ortskern, Dorfplatz mit Platanen, Cafés, Bouleplatz. Auf dem Lehrerparkplatz der Schule finden wir einen ruhigen Schlafplatz.

Prades

Am Fuße des Canigou-Massivs liegt inmitten von Obstgärten ein Kloster mit einem schönen romanischen Glockenturm. Die im 9. Jahrhundert gegründete Abtei Saint-Michel de Cuxa wird heute von Benediktinermönchen bewohnt. Die Fahrt dorthin ist von Prades aus nicht weit und führt wieder über kleine, kurvige Straßen. Dem können wir nicht widerstehen und finden, dass sich der Umweg gelohnt hat.

Saint-Michel in Cuxa
Saint-Michel in Cuxa

Zurück in Prades besuchen wir den Wochenmarkt. Wir finden es immer wieder interessant, französische Märkte zu besuchen. Neben Obst, Gemüse und Backwaren gibt es auch Fleisch-, Käse- und manchmal Fischstände.

Oft kann man auf diesen Märkten auch Textilien, Stoffe, Haushaltswaren aller Art und manchmal sogar Antiquitäten erstehen. Die Preise – vor allem für einheimisches Obst und Gemüse – sind für deutsche Verhältnisse sehr günstig. Käse, Fleisch und Fisch sind dagegen oft teurer als im Supermarkt, dafür aber meist von besonderer Qualität.

Am Nachmittag fahren wir nach Perpignan, um unsere Tochter und ihren Mann zu treffen, die auf dem Weg in den Urlaub nach Spanien sind. Die beiden wohnen in Hamburg, aber wir treffen uns in Südfrankreich. Warum nicht? Unser Timing hat jedenfalls sehr gut gepasst.

Perpignan ist ein wunderschöner Ort mit viel spanischer Leichtigkeit. Fast die gesamte Altstadt ist heute Fußgängerzone und wird von einem Boulevardring mit schönen Häusern aus der „Belle Epoque“ umgeben. Im ältesten Teil Perpignans leben vor allem Einwanderer und Zigeuner. Bei herrlichem Sommerwetter macht es Spaß, durch die Gassen und über die Plätze zu schlendern.

Perpignan
Perpignan
Perpignan
Perpignan

Auf der Rückfahrt nach Prades (wir wollen wieder auf dem Lehrerparkplatz übernachten) kommt mitten in einem vierspurigen, stark befahrenen Kreisverkehr plötzlich der große Schreck: Das Wohnmobil lässt sich nicht mehr beschleunigen! Also: Anhalten, Warnblinkanlage einschalten, ersten Gang einlegen, Anfahren. Nichts. Mist! Wir schaffen es gerade noch hinter den Kreisverkehr und auf den Standstreifen der Autobahn. Was tun? Erst einmal den Motor aus- und wieder einschalten. Und siehe da: Alles funktioniert wieder! Seltsam. Aber wir können erst einmal weiterfahren. Der Blick auf den Tacho bringt die Erleuchtung. Wir haben in Frankreich den automatischen Geschwindigkeitsbegrenzer auf 80 km/h eingestellt, weil zu schnelles Fahren bei den Franzosen inzwischen mit extremen Bußgeldern geahndet wird. Und dieser Begrenzer hat sich – warum auch immer – auf 30 km/h eingestellt. Beim Neustart hat er sich wieder ordnungsgemäß ausgeschaltet. Also nichts kaputt, nur dumm angestellt!

Im Tal von Boulès, in der Gemeinde Boule-d’Amont, liegt das romanische Priorat Sainte-Marie de Serrabona, das Anfang des 11. Jahrhunderts gegründet wurde. Es liegt inmitten eines unberührten und grünen Naturschutzgebietes. Nicht nur die Schönheit der Anlage, sondern auch das bemerkenswerte künstlerische Erbe sind einen Besuch wert.

Sainte-Marie de Serrabona
Sainte-Marie de Serrabona
Sainte-Marie de Serrabona
Sainte-Marie de Serrabona

Durch einen herrlichen Buchenwald führt die Straße immer tiefer in die Pyrenäen hinein. Nach jeder Abzweigung wird die Straße etwas enger und kurviger. Doch dann taucht zum ersten Mal Lamanère auf! Ein kleines, wunderschönes Bergdorf. Das Ziel unserer Reise. Die südlichste Gemeinde Frankreichs auf dem europäischen Festland. Wir sind angekommen! Ganze 41 Einwohner zählt das Dorf. Wir gehen ein paar Schritte und lassen die bisherige Reise Revue passieren.

Lamanère
Lamanère
Lamanère
Lamanère

Unser Fazit: Wir haben eine wunderschöne und sehr abwechslungsreiche Reise von der nördlichsten bis zur südlichsten Gemeinde Frankreichs erlebt. Wir sind durch sehr unterschiedliche Regionen gefahren: Nord Pas de Calais, Picardie, Ile de France, Loire, Burgund, Auvergne, Langedoc und die Pyrenäen. Rau, wild, lieblich, bezaubernd. Eine perfekte Mischung. So wunderbar vielfältig ist unser europäischer Nachbar.

France, nous t`aimons.

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