Frankreich von Nord nach Süd – Teil IV
Heute Nacht hat es ununterbrochen heftig gestürmt und das Wohnmobil kräftig durchgeschüttelt. Dazu hat ein heftiger Regen eingesetzt. Weiterfahren macht bei diesem Wetter keinen Sinn. Wir fahren zum Supermarkt, um unsere Vorräte aufzufüllen. Dabei stellen wir fest, dass die französische Gasflasche schon wieder leer ist. Kein Wunder, denn wir haben – zumindest nachts oder morgens – die Heizung an. Da es im Supermarkt volle Gasflaschen zum Tausch gibt, tauschen wir gleich hier. Wir fahren noch ins Zentrum und finden in der Markthalle ein Restaurant, in dem wir eine preiswerte und leckere “Plat du Jour” essen. Es regnet den ganzen Tag in Strömen. Den Rest des Tages verbringen wir gemütlich im warmen Wohnmobil mit der neuen, vollen Gasflasche.
Am nächsten Tag regnet es nicht mehr. Die Vögel zwitschern. Doch der Morgen ist noch sehr kalt. Unser Weg führt weiter nach Süden, durch die „Montagne Noir“, die südlichsten Ausläufer des französischen Zentralmassivs, immerhin 1.200 Meter hoch.
Im Süden fällt das Mittelgebirge ab und wir erreichen Carcassonne. Die Burg von Carcassonne ist die größte Festungsstadt Europas und die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Frankreichs. Und so präsentiert sich auch die Stadt: Kitschläden, Getränkestände und Kneipen reihen sich aneinander. Und fernab der Urlaubszeit: Menschen, Menschen, Menschen. Wir wollen dem Trubel entfliehen und am Abend noch einmal durch die Burg von Carcassonne schlendern, doch leider kommt der strömende Regen zurück. Schade. Immerhin gibt es heute Abend ESC aus Tel Aviv. Na ja…
Am nächsten Tag geht es weiter in Richtung Pyrenäen und ins Land der Katharer. In Carcassonne halten wir noch schnell beim Bäcker, um uns mit Baguette und herrlich duftenden Croissants einzudecken. Jetzt fehlt nur noch eine Bar, um sie mit einem heißen „Café au lait“ zu genießen. Also halten wir in Limoux und stehen direkt vor einer.
Der Eingang ist in dichten Zigarettennebel gehüllt. Viele Menschen stehen draußen und rauchen ihre Glimmstängel. Drinnen sind nur Männer, die finster dreinschauen und eine Sprache sprechen, die wir nicht verstehen. Vielleicht schon Katalanisch? Dazu sind wir noch zu weit von der spanischen Grenze entfernt. Aber an den Wänden hängen Poster des FC Barcelona. Vielleicht ist das der Treffpunkt der hier lebenden “Exil-Katalanen”?
Auf unseren Lieblingssträßchen (klein, kurvig und einspurig) geht es weiter in die Berge zum Château de Peyrepertuse. Die eindrucksvolle Katharerburg wird wegen ihrer Lage die Zitadelle des Schwindels genannt. Vom Parkplatz an der Straße zur Burg führt ein steiler Pfad hinauf, der uns in 20 Minuten zu den Ruinen von Peyrepertuse führen würde – wenn wir wollten. Wir begnügen uns mit einem Blick nach oben. Für heute muss es reichen.
Da wir gerne auf schmalen Straßen fahren, wollen wir noch die Galamus-Schlucht besuchen, ein grandioses Naturschauspiel mit schwindelerregend hohen Kalksteinwänden. Leider ist die Straße für Fahrzeuge mit einer Breite von mehr als zwei Metern gesperrt. Schade, aus dem Abenteuer wird nichts.
Also fahren wir nach Quillan, weil wir dort einen Übernachtungsplatz kennen. Neben diesem Platz findet bei unserer Ankunft ein lokales Boule-Turnier statt. Wahrscheinlich sind es Kneipenmannschaften, die daran teilnehmen. Urige Typen! So lieben wir Frankreich!
Die Strecke zwischen Quillan und Villefranche-de-Conflent bietet herrliche Ausblicke auf die schneebedeckten Gipfel der Pyrenäen.
Das Dorf Villefranche-de-Conflent (Les Plus Beaux Villages des France) und seine Festungsanlagen von Vauban gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. Kunstgalerien, Souvenirläden und kleine Geschäfte mit lokalem Kunsthandwerk machen den Charme des Städtchens aus. Das Fort Libéria liegt hoch über Villefranche-de-Conflent und muss über einen steilen Pfad und 734 Stufen erklommen werden … vielleicht beim nächsten Mal!
Prades ist ein typisches Pyrenäenstädtchen. Kleiner Ortskern, Dorfplatz mit Platanen, Cafés, Bouleplatz. Auf dem Lehrerparkplatz der Schule finden wir einen ruhigen Schlafplatz.
Am Fuße des Canigou-Massivs liegt inmitten von Obstgärten ein wunderschönes Kloster. Die im 9. Jahrhundert gegründete Abtei Saint-Michel de Cuxa wird heute von Benediktinermönchen bewohnt. Die Fahrt dorthin ist von Prades aus nicht weit und führt wieder über kleine, kurvige Straßen. Wir können nicht widerstehen und finden, dass sich der Umweg gelohnt hat.
Zurück in Prades besuchen wir den Wochenmarkt. Wir finden es immer wieder interessant, französische Märkte zu besuchen. Neben Obst, Gemüse und Backwaren gibt es auch Fleisch-, Käse- und manchmal Fischstände.
Oft kann man auf diesen Märkten auch Textilien, Stoffe, Haushaltswaren aller Art und manchmal sogar Antiquitäten erstehen. Die Preise – vor allem für einheimisches Obst und Gemüse – sind für deutsche Verhältnisse sehr günstig. Käse, Fleisch und Fisch sind dagegen oft teurer als im Supermarkt, dafür aber meist von besonderer Qualität.
Am Nachmittag fahren wir nach Perpignan, um unsere Tochter und ihren Mann zu treffen, die auf dem Weg in den Urlaub nach Spanien sind. Die beiden wohnen in Hamburg, aber wir treffen uns in Südfrankreich. Warum auch nicht? Unser Timing hat jedenfalls perfekt gepasst.
Perpignan ist eine schöne Stadt mit vielen spanischen Einflüssen. Fast die gesamte Altstadt ist heute Fußgängerzone und wird von einem Boulevardring mit schönen Häusern aus der „Belle Epoque“ umgeben. Im ältesten Teil von Perpignan leben vor allem Einwanderer und Zigeuner. Bei herrlichem Sommerwetter macht es Spaß, durch die Gassen und über die Plätze zu schlendern.
Auf der Rückfahrt nach Prades (wir wollen wieder auf dem Lehrerparkplatz übernachten) mitten in einem vierspurigen, stark befahrenen Kreisverkehr plötzlich der große Schreck: Das Wohnmobil lässt sich nicht mehr beschleunigen! Also: Anhalten, Warnblinkanlage an, ersten Gang einlegen, anfahren. Nichts. Mist! Wir schaffen es gerade noch hinter den Kreisverkehr und auf den Standstreifen der Autobahn. Was tun? Erst einmal den Motor aus- und wieder einschalten. Und siehe da: Alles geht wieder! Komisch. Aber wir können erst einmal weiterfahren. Ein Blick auf den Tacho bringt die Erleuchtung. In Frankreich haben wir den automatischen Geschwindigkeitsbegrenzer auf 80 km/h eingestellt, denn zu schnelles Fahren wird bei den Franzosen inzwischen mit extremen Bußgeldern geahndet. Und dieser Begrenzer hat sich – warum auch immer – auf 30 km/h eingestellt. Beim Neustart hat er sich wieder ordnungsgemäß ausgeschaltet. Also nichts kaputt, nur blöd angestellt!
Im Tal von Boulès, in der Gemeinde Boule-d’Amont, befindet sich das romanische Kloster Sainte-Marie de Serrabona. Es liegt mitten in einem Naturschutzgebiet.
Durch einen herrlichen Buchenwald führt die Straße immer tiefer in die Pyrenäen hinein. Nach jeder Abzweigung wird die Straße enger und kurviger. Doch dann taucht zum ersten Mal Lamanère auf! Ein kleines, wunderschönes Bergdorf. Das Ziel unserer Reise. Die südlichste Gemeinde Frankreichs auf dem europäischen Festland. Wir sind angekommen! Ganze 41 Einwohner zählt das Dorf. Wir gehen ein paar Schritte und lassen die bisherige Reise Revue passieren.
Unser Fazit: Wir haben eine wunderschöne und sehr abwechslungsreiche Reise von der nördlichsten bis zur südlichsten Gemeinde Frankreichs erlebt. Wir sind durch sehr unterschiedliche Regionen gefahren: Nord Pas de Calais, Picardie, Ile de France, Loire, Burgund, Auvergne, Langedoc und die Pyrenäen. Rau, wild, lieblich, charmant. Eine perfekte Mischung. So wunderbar vielfältig ist unser europäischer Nachbar.