Normandie – Von Dieppe zum Mont-Saint-Michel
Die Normandie ist wunderschön. Die Landschaft ist beeindruckend, die Dörfer malerisch. Und auch das kulturelle Angebot macht diesen Teil Frankreichs sehenswert. Calvados, Cidre oder Camembert werden weit über die Grenzen der Normandie hinaus geschätzt.
Wir beginnen unsere Tour entlang der Küste der Normandie in Dieppe. Eigentlich schon in Reims, denn dort treffe ich meine Frau, die mit dem TGV aus Freiburg zum TGV-Bahnhof Champagne-Ardenne außerhalb von Reims kommt. Ich bin mit dem Wohnmobil gemütlich durch das Lahn- und Moseltal nach Trier und von dort nach Reims gefahren. Die aktuelle Corona-Situation lässt das Reisen in und nach Frankreich ohne größere Einschränkungen zu.
Der Start in Dieppe beginnt mit einem Donnerschlag. Im wahrsten Sinne des Wortes! Ein Gewitter zieht am Abend über Dieppe hinweg, es donnert genau einmal, dafür aber umso lauter. Peng! Das nenne ich mal eine Begrüßung. Dann beginnt es zu regnen und scheint nicht mehr aufzuhören. Eine kleine Regenpause nutzen wir, um vom Stellplatz in die Stadt zu laufen, doch schon bald werden wir wieder vom strömenden Regen gestoppt und ins Wohnmobil vertrieben.
Am nächsten Morgen wollen wir Dieppe erkunden. Leider wird die schöne alte Drehbrücke am Hafen gerade renoviert, so dass wir nicht zu Fuß in die Stadt gehen können, denn die nächste Brücke ist gut drei Kilometer entfernt. Und in Dieppe bekomme ich den nächsten Gruß aus der Normandie: Manchmal kommt das Glück von oben – in Form eines kräftigen Möwenschisses. Ekelhaft.
Keine halbe Autostunde von Dieppe entfernt liegt hoch über den Klippen das Örtchen Varengeville-sur-Mer. Und ganz in der Nähe das Dorf Saint-Valéry. Auf den steilen Klippen steht die kleine Dorfkirche. Die Lage und die Aussicht sind atemberaubend. Auf dem angrenzenden Friedhof befindet sich das Grab von Georges Braque. Wer möchte nicht so begraben sein!
Fécamp war im Mittelalter ein bekannter Umschlagplatz für geräucherte Heringe, heute ist es ein hübscher Badeort an der Alanbasterküste. Wir machen nur einen kurzen Morgenspaziergang durch das Städtchen, nutzen den dortigen Stellplatz zum Ver- und Entsorgen des Wohnmobils und machen uns bald auf den Weg nach Étretat, auf möglichst kleinen Sträßchen entlang der Küste.
Schon immer haben Maler hier ihre Motive gefunden und ihre Staffeleien aufgestellt. Der Ort ist von Steilküsten umgeben und liegt geschützt in einer kleinen Bucht. Die beeindruckenden Kreidefelsen „Manneporte“, „Courtine“ und „Aiguille“ sind von überall zu sehen. Sowohl der Blick vom Ort in die Höhe als auch der Blick von den Felsen hinunter zum Meer ist lohnenswert. Direkt im Dorf beginnt der Aufstieg über eine steile Treppe. Aber die Mühe lohnt sich. Die Aussicht ist grandios!
Von Étretat nach Osten erstreckt sich die Côte d’Albâtre. Eine rund 130 Kilometer lange Felsküste. Nur an wenigen Stellen wird sie von kleinen Buchten oder Dörfern unterbrochen. Unser Plan, am kleinen Leuchtturm von Cap d’Antifer zu übernachten, lässt sich leider nicht verwirklichen. Schon weit vor der Zufahrt ist die Straße gesperrt. Wie wir später erfahren, ist es leider nicht mehr möglich, an diesem wunderschönen Ort frei zu stehen. Wie immer, wenn “Geheimtipps” viele Menschen anziehen. Wir finden aber in Criquetot-l’Esneval auf dem Dorfplatz einen schönen Übernachtungsplatz.
Der vom Wetterdienst als Unwetter angekündigte orkanartige Sturm mit Starkregen ist heute Nacht über uns hinweggefegt. Und auch am Morgen schaukelt das Wohnmobil kräftig im Sturm hin und her. Und es regnet und regnet. Aber typisch Normandie, bald ändert sich das Wetter, der Regen lässt nach und wir machen uns auf den Weg nach Montivilliers, einem hübschen Städtchen ganz in der Nähe von Le Havre.
Im Zentrum der Stadt befindet sich das ehemalige Kloster “Monasterii Villare”. Das ehemalige Benediktinerkloster ist gut erhalten und sorgfältig restauriert, sehenswert sind der Kreuzgang und das Refektorium aus dem 13. und 16. Jahrhundert.
Leider hat sich das Wetter wieder deutlich verschlechtert. Wir beschließen, direkt hinter dem kleinen Bahnhof in einer ruhigen Seitenstraße zu parken und zu übernachten, um am nächsten Tag mit dem Zug in die Großstadt Le Havre zu fahren.
Keine 20 Minuten dauert die Fahrt zum überraschend kleinen Bahnhof der Großstadt. Le Havre ist groß, sehr groß, und es dauert wirklich lange, bis wir im Zentrum sind. Aber eigentlich gibt es gar kein Zentrum. Die Stadt ist einfach sehr weitläufig. Wir sind den ganzen Tag “per pedes” unterwegs, denn die Entfernungen zwischen den Sehenswürdigkeiten sind riesig. Aber es lohnt sich. Wir genießen den Tag zwischen all den Sehenswürdigkeiten in einer modernen, lebendigen und gepflegten Stadt.
Le Havre wurde durch den Zucker-, Sklaven-, und Kaffeehandel reich. Das einst blühende Seebad der Belle Epoque wurde im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs zerstört. Nach dem Krieg baute Auguste Perret Le Havre im Stil von Le Corbusier wieder auf. Modern und funktional. Heute ist Le Havre der zweitgrößte Hafen Frankreichs und mit über 170.000 Einwohnern die größte Stadt der Normandie.
Das höchste Gebäude von Le Havre ist der Turm der Kirche Saint-Joseph. Durch unzählige bunte Glasfenster fällt das Licht ins Innere der Kirche. Was für ein Anblick!
Vorbei an Dieppe und über die grandiose Pont de Normandie geht es weiter nach Honfleur. Der Charme der Gassen und das beeindruckende alte Hafenbecken begeistern uns. Obwohl der Ort sehr touristisch ist, macht es Spaß durch das Städtchen zu bummeln und immer wieder Neues zu entdecken.
Vorbei an Trouville und Deauville setzen wir unsere Fahrt entlang der Küste fort. Beide Städte erleben wir so, wie wir sie von früheren Reisen in Erinnerung haben: Hektisch, laut, touristisch. Villers-sur-Mer dagegen ist ein sehr angenehmer ruhiger Badeort der Belle Époque.
In Villers-sur-Mer trifft der Nullmeridian von Greenwich auf das europäische Festland. Eine kleine Aussichtsplattform am Strand erinnert daran.
Wir verlassen die Küste und fahren ins Landesinnere nach Lisieux. Die Stadt ist nach Lourdes der zweitgrößte Wallfahrtsort Frankreichs und Wirkungsstätte der Heiligen Therese. Eine Million Besucher pilgern jährlich nach Lisieux.
Die große Basilika von Lisieux wurde 1954 erbaut und ist eines der größten sakralen Bauwerke des 20. Jahrhunderts in Frankreich.
Wir bleiben im Landesinneren und besuchen Bayeux. Die Stadt ist berühmt für den “Teppich von Bayeux”, einem Wandteppich auf einer Länge von 70 Metern die Eroberung Englands durch Wilhelm den Eroberer zeigt.
Der Wandteppich ist in einem kleinen Museum ausgestellt. Jeder Besucher erhält einen kleinen Audioguide, mit dem wir die 70 Meter des Teppichs abschreiten und uns von der Geschichte und den Darstellungen begeistern lassen. Wunderschön!
Anschließend spazieren wir durch die historische Altstadt von Bayeux. Wir bewundern die gotische Kathedrale, schlendern durch die alten Gassen mit schönen Patrizier- und alten Fachwerkhäusern.
In der Normandie werden wir immer wieder mit der Landung der Alliierten konfrontiert. Der so genannte “D-Day”. Es war der Tag der Landung der Alliierten im Frühjahr 1944. Die Befreiung Westeuropas von der deutschen Besatzung begann.
Mit über 3.000 Landungsbooten setzte die erste Welle der Invasionsarmee von England nach Frankreich über. Etwa 150.000 Amerikaner, Briten, Franzosen und Kanadier bildeten an fünf verschiedenen Stränden der Normandie eine durchgehende Frontlinie.
Heute ist Sonntag und wir wollen nach Coutances fahren. Unser Plan: Wir suchen uns ein schönes Restaurant und lassen uns an meinem Geburtstag kulinarisch verwöhnen. Ein Parkplatz in Coutances ist schnell gefunden (was uns überrascht), aber unser Bummel durch die Stadt führt uns zu keinem geöffneten Restaurant. Das wirklich schöne Städtchen ist wie ausgestorben, touristisch verwaist. Also weiter nach Granville. Stau schon weit vor der Stadt, keine Chance auf einen Parkplatz, die Restaurants, an denen wir vorbeikommen, sind brechend voll. Und jetzt? Da wir weiter zum Mont-Saint-Michel wollen, liegt Avranches auf dem Weg. Und hier haben wir ein Déjà-vu wie in Coutances. In der Innenstadt können wir uns einen Parkplatz aussuchen, die Restaurants sind alle geschlossen (bis auf eine Dönerbude). Und eigentlich ist die Mittagszeit längst vorbei. Schließlich landen wir in Ardevon auf dem Wohnmobilstellplatz, kochen uns wirklich sehr leckere Spaghetti und könnten dabei sogar den Mont-Saint-Michel sehen, wenn es inzwischen nicht in Strömen regnen würde.
„Le Couesnon, dans sa folie, a mis le Mont Saint-Michel en Normandie“. – Der Fluss Couesnon fließt in seiner Verrücktheit knapp westlich am Klosterberg vorbei, so die französische Redensart, also liegt der Mont-Saint-Michel tatsächlich in der Normandie. Dennoch ist er für die Bretonen ihr heiliger Berg!
Wie eine riesige Burg erhebt sich der Klosterberg Mont-Saint-Michel über dem Meer. Weithin sichtbar ist er eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Ein immer wieder bemerkenswert schöner Anblick. Kein Wunder, dass der Mont-Saint-Michel auch “La Merveille” genannt wird.
Die Ursprünge gehen auf das Jahr 708 n. Chr. zurück. Aubert, Bischof von Avranches, ließ auf dem Felsen eine Kirche errichten, nachdem ihm der Legende nach dreimal der Erzengel Michael erschienen war.
Der Weg vom profanen Teil des Ortes zum hochgelegenen Kloster ist gesäumt von Nippesläden und meist schlechten Lokalen. Und vielen, vielen Menschen. Nach einem ordentlichen Fußmarsch erreichen wir den Eingang des Klosters. Die Besichtigung kostet Eintritt, aber es lohnt sich das Kloster zu besuchen. Hier verlieren sich auch die Massen, denn die meisten Besucher scheuen den steilen Aufstieg oder interessieren sich nicht für diesen Teil des Klosterberges.