Rhône – Von der Quelle bis Lyon
Die Rhône, der wasserreichste Fluss Frankreichs, entspringt am Rhônegletscher im Kanton Wallis im Schweizer Gotthardmassiv. Die Rhône durchfließt die Schweiz und Frankreich und ist mit einer Länge von 812 km (davon 522 km in Frankreich) nach der Loire und der Maas der drittlängste Fluss Frankreichs.
Die Rhône entspringt auf 2.300 m Höhe in der Nähe des Furkapasses. Bis Martigny ist die Rhône ein reißender Bach, der sich allmählich zu einem großen Gebirgsfluss entwickelt. Bei Bouveret mündet sie in den Genfersee, den sie kurz nach Genf wieder verlässt. In Frankreich fließt sie durch die Cluse de Bellegarde nach Lyon und weiter zum Mittelmeer.
Der Furkapass, den ich über die A2, die Gotthardachse und über Andermatt erreiche, ist der Ausgangspunkt meiner Reise. Mit 2431 Metern über Meer ist er der höchste Straßenpunkt im Wallis. Die Straße ist gut ausgebaut, aber das war nicht immer so. In einem Reiseführer von 1964 wird sie noch als eine der unangenehmsten Straßen der Schweiz bezeichnet. Das hat sich Gott sei Dank grundlegend geändert.
Die Zukunft der Rhône hängt vom Zustand des Rhônegletschers ab. Doch durch den Klimawandel verliert der Gletscher jedes Jahr fünf bis sieben Meter an Dicke. Bis 2030 wird er voraussichtlich um die Hälfte schrumpfen und bis 2100 ganz verschwunden sein.
Der Höhepunkt eines Besuchs auf dem Rhônegletscher ist die Eisgrotte. Ich staune und bin begeistert. Doch zuerst muss ich über einen schmalen und sehr steilen Pfad weit hinunter zur Gletscherzunge. Es ist ein eigenartiges Gefühl, durch den blauen Gang unter dem Gletscher zu gehen. Die Eisgrotte und das Gletschereis sind an der Oberfläche stellenweise durch eine riesige Plane geschützt. Das sieht zwar nicht schön aus, schützt den Gletscher aber vor der Sonneneinstrahlung. Der Gletscher bewegt sich hier 30 bis 40 Meter im Jahr. Und im Sommer schmilzt viel Eis. Deshalb ist die Eisgrotte zu Beginn der Saison im Juni über 100 Meter lang, am Ende des Sommers sind es nur noch etwa 70 Meter.
In der Haarnadelkurve auf der Höhe des Gletschers steht das Hotel Belvédère. Es ist ein Luxushotel. Es zeugt von der Blütezeit der Schweizer Hotellerie. Es ist wohl das berühmteste Passhotel der Welt und stammt aus der Zeit der Belle Époque. Viele Filme und Rennszenen wurden hier gedreht, so auch ein James Bond Film mit Sean Connery.
Blickt man vom Aussichtspunkt zum Gletscherrand, sieht man die junge Rhône den Hang hinunterstürzen. Sie fliesst durch ein tiefes und steiles Tal hinunter nach Oberwald. Hier hat die Rhône bereits die ersten 1000 Höhenmeter überwunden. Durch eine atemberaubende Landschaft fließt sie durch das zweisprachige Wallis.
Sie ist auf ihrem langen Weg zum Mittelmeer. Glitzernd und gurgelnd fließt der junge Fluss, der hier noch Rotten heißt, durchs das Tal des Goms.
Im Städtchen Brig mit seinem mediterranen Flair und dem prächtigen Schloss laden zahlreiche gemütliche Straßencafés und Restaurants zum Verweilen ein. Wer Walliser Spezialitäten probieren möchte, sollte eine “Cholera” bestellen. Ein leckerer Gemüsekuchen mit Lauch, Äpfeln, Käse, Speck und Kartoffeln. Himmlisch! Die jungen Kellnerinnen im Gasthaus verstehen weder Deutsch noch Französisch. Aber auf Italienisch klappt es ganz gut. Na ja, über den Simplonpass ist man ja auch schnell in Italien!
Weite Weinberge säumen meinen weiteren Weg. Links und rechts der Straße ragen sie steil in die Höhe. Bei uns ist Wein aus der Schweiz nicht so bekannt. Die Schweizer trinken ihren Wein anscheinend lieber selber, als ihn zu exportieren. Und an jeder Parkbucht werden Aprikosen aus dem Wallis angeboten. Frisch vom Bauern, reif und saftig und nicht tiefgekühlt und mehlig wie manchmal bei uns im Supermarkt. Köstlich! Aber dafür muss ich schon ordentlich “Fränkli” bezahlen.
Nach Sion, der Hauptstadt des Wallis, ist es nicht weit. Schon von weitem sichtbar sind die Schlösser und Kirchen. Eine phantastische Kulisse. Der Aufstieg hinauf zu den Schlössern hat es in sich! Aber der Ausblick auf die umliegenden Berge und die Stadt sind phantastisch! Sion ist eine etwas verschlafene aber sehr sympathische Stadt. Von der Hektik einer Kantonshauptstadt ist hier nichts zu spüren.
Der weitere Verlauf der Rhône ist dann eher ernüchternd. Das Flusstal wird fast vollständig von Industrie- und Gewerbezonen eingenommen. Das Tal ist das wirtschaftliche Zentrum des Wallis. Mitten durch das Tal verläuft die Sprachgrenze. In Leuk spricht man noch deutsch, in Sierre nur noch französisch. Und das konsequent!
Nach den Passfahrten möchte ich in Sion in einer Autowerkstatt die Kühlflüssigkeit des Motors kontrollieren und auffüllen lassen. Ein junger Mechaniker an der Auftragsannahme lässt mich auf Deutsch gnadenlos “abblitzen”. Erst als ich im Wörterbuch das französische Wort für “Kühlflüssigkeit” nachschlage, ist er gesprächsbereit!
Martigny ist das kulturelle Zentrum der Region. Und das Tor zu einer fantastischen Landschaft. Besonders sehenswert in Martigny ist das Bernhardiner-Museum, in dem der berühmte Schweizer Rettungshund mit dem Rumfässchen um den Hals gewürdigt wird.
Fließt die Rhône bis hierher grob nach Westen, so macht sie bei Martigny einen abrupten Richtungswechsel nach Norden. Das Tal weitet sich immer mehr, von Romantik keine Spur mehr. Nur noch Industrie bis zum Genfersee.
Bei Le Bouveret, einem kleinen hübschen Dorf, mündet die Rhône in den Genfer See. Ich entscheide mich, dem See auf der Südseite zu folgen, die Schweizer mögen es mir verzeihen. Aber der Weg ist kürzer und vor allem in Frankreich deutlich “preisgünstiger” als in der Schweiz.
Über Évian-les-Bains, Thonon-les-Bains und Yvoire fahre ich auf der Uferstraße Richtung Genf. Évian-les-Bains ist immer noch erstaunlich mondän, zumindest die schönen Hotelpaläste mit ihren Jugendstilfassaden wirken sehr nobel. In Thonon-les-Bains fühlt sich eher der “Normalurlauber” willkommen und Yvoire ist ein sehr hübscher kleiner Ort aus der Gruppe “Les Plus Beaux Village de France”. Leider total überlaufen (die Schweizer haben auch das Südufer des Genfersees fest im Griff) und ohne einen einzigen Parkplatz für Wohnmobile. Da ich früh am Morgen da bin, nehme ich einfach den Busparkplatz. Da sind die Politessen noch zu Hause!
Genf ist groß, schön und hat keinen einzigen Parkplatz! Wo stellen die vielen Menschen ihre Autos ab? Und Genf ist teuer. Mein Portemonnaie, das mit Euros und nicht mit Franken gefüllt wird, ist eindeutig zu dünn für diese Stadt. Wenn die Schweiz für die Euroländer schon teuer ist, dann ist Genf noch teurer.
Schon die Einfahrt in die Stadt ist beeindruckend. Am Seeufer entlang führt die Straße ins Stadtzentrum, gesäumt von mondänen Hotels und Restaurants. Die mit mannshohen, kunstvollen Schmiedeeisengittern versehenen Zufahrten sind so breit wie Einfamilienhäuser. Auf langen Kieswegen, die vornehm unter den Reifen der Luxusautos knirschen, fährt man (wer es sich leisten kann) zur Einfahrt, wo ein paar Livrierte darauf warten, die Autotüren zu öffnen und den Wagen dann diskret um die Ecke zu parken. Aber … nur kein Neid. Wer kann, der kann!
Ich parke beim Eisstadion von Genève-Servette, das liegt zwar deutlich am Stadtrand von Genf, aber das Stadtzentrum ist immer noch gut zu Fuß erreichbar. Am Wochenende ist der Platz wirklich günstig, aber unter der Woche muss man schon ein paar Franken für das Parken investieren.
Genf liegt eingebettet zwischen schneebedeckten Gipfeln und Weinbergen am größten See Westeuropas. Die UNO und das Rote Kreuz haben hier ihren europäischen Sitz. Die Stadt am Genfersee ist auch die Wiege der Uhrmacherkunst und viele Schokoladenhersteller haben hier ihre Produktionsstätten.
Es ist schön durch die Stadt zu flanieren. Sehen und gesehen werden scheint hier das Motto vieler Menschen zu sein!
Hinter Genf verlässt die Rhône den Genfersee. Nur noch 260 Meter über dem Meeresspiegel erreicht die Rhône das hübsche Dorf Seyssel. Die Gegend ist bergig und rau. Und wer gerne Höhlen besucht, kommt hier auf seine Kosten.
Dank der Rhônebrücke war Seyssel schon früh ein Handelsplatz. Heute noch mit einem kleinen historischen Hafen und einer hübschen Altstadt.
Bei Walibi ändert die Rhône wieder ihre Richtung. Floss sie ab Genf immer nach Süden, wendet sie sich nun nach Norden und bei Lagnieu wieder nach Westen. Zuvor muss sie jedoch bei La Balme den Jura durchbrechen, um in die weite Ebene Richtung Lyon zu fließen.
Bevor ich den Großraum Lyon erreiche, möchte ich noch das historische Städtchen Pérouges besuchen. Ich kenne diesen mittelalterlichen Ort schon seit den 60er Jahren, als ich ein paar Mal mit dem deutsch-französischen Schüleraustausch hier war. In all den Jahren hat sich nichts verändert, denn der Ort steht komplett unter Denkmalschutz. Und auch die Blaubeerwähe in der alten Taverne schmeckt noch genau so, wie ich sie in Erinnerung habe. Délicieux!
Pérouges zählt zu den “Schönsten Dörfern Frankreichs”. Der mittelalterliche Charakter ist in diesem Dorf erhalten geblieben. Deshalb dient das Städtchen immer wieder als Kulisse für mittelalterliche Filmproduktionen. So mancher “Mantel und Degen”-Film wurde hier gedreht.
Ich erreiche Lyon, den Großstadtmoloch an der Rhône. Aber für mich eine der schönsten Großstädte Frankreichs. Eine Stadt mit 2000 Jahren Geschichte. Ich schlendere durch die malerischen Gassen der Altstadt, bummle durch die sehenswerten Viertel an der Rhône und der Saône, bewundere die Kathedrale Saint-Jean und die Ruinen des römischen Theaters. Und mache zwischendurch Pausen an einem der vielen kleinen schattigen Plätzchen mit Straßencafés und Bars. Ein schneller Kaffee oder ein Glas Pastis … simplement magnifique!
Ab Lyon wird die Rhône zu einem mächtigen und ruhigen Fluss, der sich hier mit der Saône vereint. In einem breiten Tal – dem Rhônetal – fließt sie fast geradlinig an den Weinbergen der Côtes du Rhône entlang nach Süden zum Mittelmeer. Aber das ist eine andere Geschichte.