Rückblick 2022
Es ist heiß … sehr heiß. Die Temperaturen liegen bei fast 40° Celsius, im Wohnmobil teilweise noch höher! Rückblickend auf das Jahr 2022 habe ich gefühlt von April bis Oktober nur Sonnentage, herrliches Sommerwetter und es ist sehr warm. An manchen Tagen zu warm!
Das Reisemobiljahr beginnt wie immer mit der obligatorischen und vom Hersteller vorgeschriebenen Dichtheitsprüfung des Aufbaus in der Fachwerkstatt. Ich selbst habe bereits eine Feuchtigkeitsmessung durchgeführt und bin leider fündig geworden. Sehr hohe Messwerte am Übergang von der Hutze zur Seitenwand. Und die Fachwerkstatt bestätigt meine Messwerte, kann aber erst Hand anlegen, wenn die Herstellerfirma “grünes Licht” für eine Reparatur auf Garantiebasis gibt. Bis dahin kann schon der nächste Garantieantrag an Weinsberg gestellt werden … es regnet durch das Fenster der Hutze. Zwei kurze Regenschauer in diesem Frühjahr haben ausgereicht, um die Undichtigkeit sichtbar zu machen. Nachdem die Innenverkleidung entfernt wurde, zeigt sich, dass sich der dicke Holzsteg von der Seitenwand zur Hutze mit Wasser vollgesaugt hat. Und das sicher nicht nur von dem einen Regenschauer. Sondern wohl von Anfang an! Und das, obwohl die Fachwerkstatt regelmäßig Feuchtigkeitsmessungen durchgeführt hat. Fazit des Tages: Besser selbst regelmäßig zusätzliche Feuchtemessungen mit einem vernünftigen Messgerät durchführen!
Bei dem mehrwöchigen Werkstattaufenthalt lasse ich mir auch gleich eine Gastankflasche einbauen, damit das Schleppen der wirklich “sackschweren” (französischen) Stahlgasflaschen ein Ende hat. Wie bequem ist es jetzt, an der LPG-Zapfsäule anzuhalten und einfach die Gastankflasche zu füllen.
Deshalb beginnt die erste Tour erst an Ostern. Früher wäre es auch in diesem Jahr wegen “Corona” nicht möglich gewesen. Ich fahre mit meiner Frau nach Paris. Wir übernachten auf dem Campingplatz “Camping International de Maisons Laffitte Paris”. Mit dem Wohnmobil in Großstädte zu fahren ist grundsätzlich keine gute Idee, erst recht nicht im Verkehrswahnsinn von Paris. Aber eine Runde im Kreisverkehr um den Arc de Triomphe wäre schon “cool” gewesen! Wir verbringen ein paar schöne Tage in dieser wunderbaren und aufregenden Stadt. Meine Frau fährt dann mit dem TGV zurück nach Freiburg und ich mache mich alleine auf die lange vorbereitete Reise entlang der legendären “Route Nationale 7”.
Die Route Nationale 7 beginnt, wie in Frankreich nicht anders zu erwarten, in Paris. Mitten in Paris. Direkt vor der Cathédrale Notre-Dame. Alle französischen Nationalstraßen beginnen genau hier. Und die bekannteste und längste ist die mit der Nummer 7. Die alte Route Nationale 7, die legendäre Straße um den Süden zu erreichen. Lust und Qual zugleich – Lust für Auge und Gaumen, Qual in meist sengender Hitze, natürlich ohne Klimaanlage, mit oder ohne quengelnde Kinder. Und oft genug im Stau!
Ich kenne die Geschichten rund um diese “französische Route 66” von meinen regelmäßigen Besuchen als Austauschschüler und später mit dem “Deutsch-Französischen Jugendwerk”. Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre war ich oft zu Gast in Bron, einem Vorort von Lyon. Und die RN7 führt direkt durch diese südfranzösische Großstadt. Und in meiner französischen Gastfamilie wurden oft Geschichten über diese legendäre Straße erzählt. Vor allem Geschichten von schweren Auto- und LKW-Unfällen.
Was liegt also näher, als diesem 996 Kilometer langen Stück Asphalt einmal selbst zu folgen? Die „Route Nationale 7“, die „Straße der Sehnsucht“ in den Süden, war einst für Millionen Franzosen der Begriff für Urlaub und Ferien. Seit 2006 ist der Name offiziell verschwunden, doch der Mythos der legendären Straße lebt weiter.
„On est heureux Nationale 7“, singt Charles Trenet 1959 in seinem Chanson über die berühmte Urlaubsroute der Franzosen. Seit mehr als 100 Jahren zieht der Sommerhimmel an der Côte d’Azur die Massen aus Paris und Umgebung an. Zwischen 1950 und 1960 gab es kaum einen Franzosen, der nicht in den Ferien ans Mittelmeer fuhr. Und schon nach den ersten Kilometern stand man im Stau.
Meist am 14. Juli, dem Nationalfeiertag, begann die gemeinsame Fahrt zur Loire, durch die Auvergne und entlang der Rhône in die Provence bis zum Mittelmeer.
Ich fahre also in Paris los, komme an Fontainebleau mit seinem prächtigen Schloss vorbei, schaue mir in Fontenay sur Loing das herrlich kitschige Kirchlein “Notre Dame de la Route” an. Vom USB-Stick höre ich französische Schlager und Chansons aus den 70er Jahren. Ich lasse mir Zeit, fahre entspannt und fröhlich meinen Weg und finde: Ich habe es gut!
In Pouilly-sur-Loire ist der erste Höhepunkt der Reise. Genau 200 Kilometer vom Pariser “Point Zero” entfernt befindet sich eine Tankstelle. “Les 200 Bornes” ist heute noch eine Tankstelle, aber auch eine Bar und ein kleines Restaurant mit einem günstigen Fernfahrermenü. Damals war es auch ein kleines Hotel mit Zimmern „Grand confort“.
Vorbei an La Charité-sur-Loire komme ich nach Nevers, durchquere Magny-Cours mit seiner legendären Rennstrecke, raste in Moulins und erreiche nach einigen Tagen Lapalisse. Diese kleine Provinzstadt hat eine besonders enge Beziehung zur Route Nationale 7.
Alle zwei Jahre findet der “Bouchon de Lapalisse” statt, eine Inszenierung des legendären kilometerlangen Staus in Richtung Süden, der sich jedes Jahr zu Beginn der französischen Schulferien in Lapalisse bildete. Hunderte von Oldtimern kommen in die Stadt, um den Aufbruch in die Ferien zu simulieren. Mit Gendarmen, Mechanikern und Tankwarten werden Szenen aus dieser Zeit nachgestellt (mehr als 1.000 Oldtimer, rund 3.000 Teilnehmer und fast 20.000 Besucher).
Über Roanne erreiche ich die Großstadt Lyon, die drittgrößte Stadt Frankreichs (und das zweitgrößte Ballungszentrum). Lyon ist wie Paris nur bedingt für Wohnmobile geeignet. Ich reserviere mir einen Platz auf dem örtlichen Campingplatz (Camping International de Lyon). Mit Bus und Metro bin ich in knapp einer Stunde im Zentrum. Und ich bin begeistert! Lyon ist eine der schönsten Großstädte, die ich kenne!
Ich verbringe einige Tage in dieser schönen Stadt und spüre … Südfrankreich ist nicht mehr weit! Und die ersten 450 Kilometer der “Route Nationale 7” sind geschafft.
Und dann wache ich nachts auf und habe schreckliche Zahnschmerzen. Was soll ich tun? Soll ich zum Zahnarzt gehen und ihm mein Leid klagen? Ich könnte mich sicher verständlich machen, aber ob ich seine Diagnose verstehe, weiß ich nicht. Also warte ich noch einen Tag, die Zahnschmerzen werden natürlich nicht besser und ich mache mich auf den Heimweg. Sind ja “nur” knapp 500 Kilometer. Diagnose zu Hause: alles halb so schlimm, tut halt weh! Und nach einem kurzen “Heimaturlaub” geht es wieder zurück nach Frankreich auf die Route Nationale 7.
Vorbei an Vienne, Orange und Avignon erreiche ich die Provence. Herrlich lila leuchtende Lavendelfelder erwarten mich. Gilbert Becaud singt von seiner “Nathalie”, Joe Dassin von den “Champs-Élysées”, der USB-Stick ist voll mit französischen Chansons, der Tempomat des Wohnmobils ist auf 80 km/h eingestellt. Alles ist gut!
In Menton erreiche ich mein Ziel und das Ende der Route Nationale 7. Habe ich mein Ziel erreicht? Der Weg war das Ziel und die Nostalgie und die Verheißung. Und wie sang schon Charles Trenet: “On est heureux Nationale sept”.
Zu Hause ziehe ich die logische Konsequenz aus dem heißen Sommer: Ich lasse mir eine Klimaanlage auf das Dach meines Wohnmobils montieren!
Anfang August will ich die zweitlängste Route Nationale in Frankreich befahren: die N20. Aber es ist so unerträglich heiß, dass ich erst einmal für ein paar Wochen in die Normandie fahre. Dort sind die Tagestemperaturen immerhin gut 10 Grad niedriger als in Zentralfrankreich.
Wie alle französischen Nationalstraßen beginnt auch die Route Nationale 20 im Herzen von Paris. Unbeachtet von den Touristen, die den Platz vor der Kirche Norte-Dame überqueren, liegt hier ein Stück französischer Geschichte verborgen – der “Point Zéro des Routes de France”. Die Pariser Punkt-Null-Markierung, die kaum einen Meter breit ist. Und alle Straßen in Frankreich, Straßenschilder, Ortsentfernungen, Landkarten etc. etc. werden von genau dieser Stelle aus berechnet.
Ganz so berühmt wie die Nationale 7 ist die RN20 nicht, jedoch ebenfalls voller Charme, Mystik, Nostalgie und Verheißung. Sie führt durch halb Frankreich, von Paris bis zu den Bergen der Pyrenäen und dann noch bis nach Andorra.
Ich starte wieder in Paris und richte mich auf dem Campingplatz “Camping International de Maisons Laffitte Paris” ein. Mit der RER bin ich in einer halben Stunde im Zentrum dieser immer wieder beeindruckenden, lauten und schönen Stadt.
Über Orléans nach Vierzon und vorbei an Châteauroux komme ich nach Limoges. Und weiter nach Uzerche. Vorbei an Brive-La-Gaillarde und Cahors nach Montauban und Foix bis zu den Pyrenäen und nach Andorra. Ein Höhepunkt ist Toulouse, eine große, laute, hektische und wunderschöne Stadt!
Mehrere Wochen bin ich auf der Route Nationale 20 unterwegs. 864 Kilometer habe ich auf der Route Nationale zurückgelegt. Bin ich am Ziel angekommen? Wieder einmal war der Weg das Ziel, die Sehnsucht und das Fernweh! Ich bin froh über diese Reise. Mein Horizont hat sich erweitert, mein Blick hat sich geweitet und ich fühle mich bereichert. “C’était merveilleux”.
Auf meiner letzten großen Tour in diesem Jahr begleitet mich meine Frau. Sie ist bei den früheren Touren immer mal wieder mitgefahren, und ich konnte die Touren so planen, dass sie ihren Urlaub und ihre freien Tage so legen konnte, dass wir immer wieder für einige Tage oder Wochen zusammen waren.
An dieser Stelle ein herzliches “Dankeschön” an meine Frau, die mir die Freiheit gibt, auch alleine zu reisen. Und natürlich gestalten wir alles so “familienfreundlich” wie möglich!
Gemeinsam fahren wir am Bodensee entlang, durch den Arlbergtunnel über Innsbruck und den Brennerpass nach Bruneck in Italien. Von dort geht es weiter durch die Dolomiten nach Venedig. Wir besichtigen diese immer wieder beeindruckende Stadt, übernachten in Mogliano Veneto und fahren von dort mit dem Zug in die Lagunenstadt. Es ist Anfang Oktober, in Venedig sind angenehm wenig Touristen, es ist schön, mal wieder hier zu sein.
In einem großen Bogen geht es weiter nach Slowenien. Die Autobahnmaut haben wir schon von zu Hause aus online bezahlt. Alles völlig unkompliziert. Unweit der italienisch-slowenischen Grenze liegt ein sehenswertes Bauwerk. Oberhalb des kleinen Ortes Predjama erhebt sich unter einer beeindruckend hohen Felswand die Burg Predjama. Predjamski grad ist die größte Höhlenburg der Welt. Und eine der bedeutendsten Burganlagen Sloweniens und Europas.
Weiter geht es mit einem kurzen Abstecher nach Ljubljana. Eine wunderschöne Stadt, die mehr als nur einen Tagesbesuch wert ist. Die lebendige grüne Stadt hat den Charme einer Kleinstadt und ist doch eine europäische Großstadt. Eine Metropole und doch erstaunlich überschaubar. 285.000 Menschen leben hier, davon 50.000 Studenten.
Wir durchqueren das kleine Land Slowenien und kommen über die Karawanken nach Österreich. In Villach erleben wir auf dem offiziellen Campingplatz eine der unruhigsten Nächte. Ständig sind Autoposer auf dem Parkplatz unterwegs. Gegen Mitternacht geben wir entnervt auf und suchen uns einen ruhigeren Schlafplatz.
Aber wir wollen weiter. Zum Königsee im Naturpark Berchtesgadener Land. Es ist Ende Oktober. Herrliches Herbstwetter lädt zu einem Spaziergang am See ein. Und wir wollen die Roßfeld-Panoramastraße fahren. Die höchstgelegene Panoramastraße Deutschlands führt direkt in die einzigartige, hochalpine Bergwelt des Berchtesgadener Landes. Auf der Mautstraße geht es mit bis zu 13 % Steigung auf 1570 Meter hinauf. Auf der Passhöhe stehen große Parkplätze zur Verfügung. Dort erwartet uns ein herrlicher Rundblick auf das gewaltige Bergmassiv und das Berchtesgadener und Salzburger Land.
Sehr früh am Morgen brechen wir auf. Herrliches Wetter, Sonnenschein, im Tal liegt der Morgennebel. Die Auffahrt verläuft problemlos. Bei der Abfahrt fangen plötzlich die Bremsen an zu stinken, die Bremswirkung lässt schlagartig nach. Ich komme gerade noch zum Stehen. Dann kann ich das Bremspedal ohne Wirkung durchtreten. Puh, was ist los? Die Bremsen stinken fürchterlich und sind glühend heiß.
Also rufe ich den ADAC, der “Gelbe Engel” kommt vorsichtshalber gleich mit dem großen Abschleppwagen. Als er nach gut einer Stunde eintrifft, sind die Bremsen abgekühlt, die Bremswirkung ist in Ordnung. Und ich habe Angst weiterzufahren! Ich bin wirklich schon viele Pässe gefahren, aber noch nie hatte ich Probleme mit zu heißen Bremsen. Ich vereinbare mit dem Mechaniker, dass er mit dem Abschleppwagen langsam vorausfährt. Ich fahre mit etwas Abstand hinterher und kann so im Notfall “auffahren”. Aber alles geht gut, die Bremsen funktionieren. Der Bremsencheck des Mechanikers im Tal ergibt nichts Auffälliges. Und alle paar Kilometer mache ich einen Bremstest … alles in Ordnung!
Über Salzburg (mit Stadtbesichtigung) fahren wir zu unserem Ziel nach Jandelsbrunn zur Firma Knaus/Weinsberg. Der eigentliche Grund, warum wir so weit nach Ostbayern gefahren sind. Ich möchte im Werk mit den Fachleuten besprechen, wie es mit unserem undichten “Montagsauto” weitergehen soll. Im Frühjahr 2023 läuft die Garantie aus. Ich denke über eine Garantieverlängerung nach, denn dass mit dem Auto etwas nicht stimmen kann, ist ja offensichtlich. Aber leider gibt es kein Entgegenkommen der Firma Weinsberg. Viel Verständnis für meine Situation, schöne Worte. Aber das war’s dann auch schon.
Enttäuscht und frustriert von diesem Gespräch machen wir uns auf den Heimweg. Seit einigen Tagen ist es kalt, der Herbst ist da.
Doch der nächste Frühling kommt. Und mit ihm die neue Reisesaison. Mit vielen interessanten Reisezielen. Und natürlich mit Frankreich im Mittelpunkt. Unser Lieblingsreiseland!