Südfrankreich zum Jahreswechsel

Die Weihnachtsfeiertage sind vorüber, das Wetter ist kalt, grau und regnerisch. Und wir haben Zeit, den Übergang ins Neue Jahr mit einer Reise zu gestalten. Ursprünglich hatten wir das Tessin und das Piemont als Reiseziel anvisiert, denn der Wetterbericht versprach dort Sonne pur, aber leider bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Ganz anders Südfrankreich! Auf der Wetterkarte lachte die Sonne, Temperaturen bis 16 Grad … also nichts wie hin.
In strömendem Regen fahren wir über Genf, Lausanne, Lyon bis nach Tournon an der Rhône auf einen kleinen Übernachtungsplatz am Rande des Orts. Auch hier ist es noch kalt und trüb, feiner Regen nieselt auf das Wohnmobildach und dieses monotone Geräusch begleitet uns in den Schlaf.
Wie anders ist es doch am nächsten Morgen. Sonne pur, nur noch kleine Schleierwolken und wärmer wird’s dann im Lauf des Tages schon werden. Herrlich. Wir gehen das kurze Stück ins Zentrum von Tournon, finden schnell eine Bäckerei mit frischen Croissants und ein Bistro mit frischem, dampfendem Kaffee.
Die Autobahnen in Frankreich waren gestern proppenvoll, offensichtlich wollen auch die französischen Kurzurlauber in den Süden. Einen langen Stau konnten wir noch rechtzeitig umfahren, heute wollen wir deshalb nur auf der Route National N7 weiterfahren. Und bis nach Orange ist es auch nicht weit.
Die von den Römern gegründete Stadt verfügt über zwei Monumente der Antike die im Welterbe der UNESCO eingeschrieben sind: Das antike Theater und der Triumphbogen. Das römische Theater, das am Anfang des I. Jahrhunderts erbaut wurde, besitzt eine bewundernswert gut bewahrte Bühnenmauer und sehr gut erhaltene Zuschauerränge. Es ist mühsam, auf den riesigen Quadern nach oben zu steigen, aber die Anstrengung lohnt sich für einen herrlichen Blick auf die Bühne und ins weite Halbrund. Das entschädigt für einen wirklich stattlichen Eintrittspreis.
Auch gastronomisch hat Orange einiges zu bieten. In einem familiär geführten Bistro lassen wir uns ein wirklich leckeres Mittagessen schmecken. Unseren Übernachtungsplatz finden wir in Aramon neben dem Sportplatz.



Wir wollen heute mit dem Bus von Aramon nach Avignon fahren. Unsere Recherchen im Internet ergeben widersprüchliche Informationen. Selbst auf der offiziellen Seite des ÖPNV ist nicht klar, ob und wann heute, am Sonntag, Busse nach Avignon fahren. An der wenige 100 Meter entfernten Bushaltestelle wird dann schnell klar: Am Sonntag fährt kein Bus! Also zurück zum Wohnmobil, noch schnell Frischwasser bunkern und losfahren.
Unterwegs mault uns noch ein Trupp von gut 50 Radfahrern hinterher, weil wir sie überholen. Das erwartete Übel in Avignon nimmt dann seinen Lauf … kein Parkplatz. Am Sonntagmorgen sind die P&R Parkplätze praktisch leer, aber bei allen ist uns die Zufahrt durch eine Höhenbegrenzung versperrt. Wir umrunden die vollständig erhaltene Stadtmauer (2,4 Kilometer lang), aber keine Chance unser Wohnmobil irgendwo zu parken. Also dann auf die andere Flussseite der Rhône, dort gibt es zwar freie Parkplätze, aber für Wohnmobile ist Halteverbot. Die Einfahrt zum angrenzenden Campingplatz wird durch eine Horde von italienischen Wohnmobilen versperrt, die in aller Ruhe die VE des Campingplatzes benutzen. Aber irgendwann sind die auch reisefertig und wir belegen einen der wenigen freien Parzellen auf dem Platz. An der Rezeption erfahren wir dann: diese Parzelle ist reserviert! Also nochmal umparken, und nach gut 2½ Stunden seit der Abfahrt in Aramon (Entfernung 12 Kilometer) sind wir dann „angekommen“.
Wir erfahren später, dass auf dem offiziellen Wohnmobilstellplatz, direkt neben dem Campingplatz, in einer Nacht im Oktober mehrere (alle?) Wohnmobile aufgebrochen wurden, und ein erheblicher Sachschaden an den Fahrzeugen und durch Diebstahl einstanden ist. Dieser Platz war bei unserem Besuch geschlossen!
Prächtige mittelalterliche Häuser, verträumte Plätze und Gässchen, eine imposante Befestigungsmauer, eine weltberühmte Brücke und natürlich der Papstpalast, das ist Avignon, eine der fünf größten Städte der Provence. Avignon wurde für fast siebzig Jahre zum Sitz der Päpste und damit zur Hauptstadt des Christentums. Nachdem die päpstliche Residenz zunächst in die „Comtat Venaissin“ verlegt worden war, zogen die Päpste im Jahr 1309 nach Avignon um. Dem Papsttum ist es zu verdanken, dass Avignon heute so besonders ist und über unvergleichbare Bauwerke verfügt. Da ist natürlich der Papstpalast, einer der glanzvollsten Höfe des Mittelalters. Es entstanden gotische Kirchen, eindrucksvolle Kardinalslivrées, Klöster und Türme. Mit den Päpsten kamen Kardinäle, Kleriker, Adlige, Kaufleute, Architekten, Bildhauer, Künstler und Handwerker und machten Avignon nicht nur zu einer der größten Städte Westeuropas, sondern auch zu einem intellektuellen, künstlerischen und kulturellen Zentrum des Mittelalters. Damals sollen rund 30.000 Menschen in der provenzalischen Stadt gelebt haben.
Der Palast der Päpste, der zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, ist ein riesiger, imposanter Klotz, dessen wirkliche Dimensionen sich erst mit einer Besichtigung der Innenräume erschließt. Das größte gotische Gebäude der Stadt wirkt von außen wie eine Burg oder Festung, während das Innere des Bauwerks eher an ein mittelalterliches gotisches Schloss oder Kloster erinnert. Es gibt innerhalb der Zitadelle einen Ehrenhof, mehrere Innenhöfe, große Säle, Kapellen, Kreuzgänge und Prunksäle, von denen rund 24 besichtigt werden können, darunter die Privatgemächer des Papstes und vier gotische Kathedralen.
Wir streifen den ganzen Tag durch Avignon, und können uns an dieser wunderbaren Stadt kaum satt sehen. Todmüde, und mit schweren Beinen, kommen wir am späten Nachmittag wieder zum Campingplatz zurück.





Der neue Tag beginnt genau so wie der gestrige aufgehört hat. Strahlend blauer Himmel, aber die Nacht war richtig kalt. Aber was gibt es schöneres als in einem muckelig warmen, geheizten Wohnmobil die Nacht zu verbringen.
Wir wollen heute nach Aigues-Mortes fahren, dem schmucken Städtchen in der Carmarque. Wir machen aber einen kleinen Umweg, um uns zwischen Avignon und Arles Tarascon anzuschauen. Eigentlich ein verschlafenes kleines Provinznest, wenn es nicht das schöne Schloss direkt an der Rhône geben wurde. Wir schlendern durch den Ort, auch auf der Suche nach einem kleinen Bistro, aber so richtig gefällt uns das Städtchen nicht, alles ist ein bisschen grau und unscheinbar.





Ganz im Gegensatz zu Beaucaire am gegenüberliegenden Ufer der Rhône. Hier gibt es einen schicken Jachthafen, einladende Plätze und Hinterhöfe und … ein Bistro mit einer leckeren Plat du Jour!
Am späten Nachmittag sind wir dann in Aigues-Mortes. Hier wollen wir Silvester verbringen, das alte Jahr ausklingen lassen und das Neue Jahr beginnen. Unser ambitionierter Plan: Wir gehen am Silvesterabend schön Essen und erleben, wie die Franzosen den Jahresübergang feiern. Dass aber alle Restaurants, in denen wir einen Platz reservieren wollen, ausgebucht sind, haben wir insgeheim befürchtet, aber trotzdem gehofft, einen Tisch ergattern zu können. Es kommt aber wie befürchtet, überall „Complet“, ausgebucht. Na gut, wir werden Silvester trotzdem schön verbringen.
In der Silvesternacht gehen wir in den Ort. Wir erwarten, dass auf dem Dorfplatz um Mitternacht eine kleine Feier ist, dass man sich gegenseitig ein gutes Neues Jahr wünscht, vielleicht ein bisschen Party. Aber nichts dergleichen. Wir stehen um 00:00 Uhr mutterseelenalleine auf dem Platz, trinken unseren mitgebrachten Piccolo, und wundern uns mal wieder über die liebenswerten Franzosen.



Auf dem Weg nach Les-Baux-de-Provence machen wir einen Stopp in Arles. Am Neujahrsmorgen ist die Stadt wie ausgestorben, ich habe hier noch nie so viele freie Parkplätze gesehen. Unser Plan, in Arles Frühstücken zu gehen, scheitert daran, dass keine Bar und kein Bistro geöffnet hat. Nur beim Amphitheater gibt es einen Kiosk der offen ist. Es gibt Kaffee und wirklich sehr leckere Croissants. Aber, das Lokal ist so klein, dass immer die Eingangstüre offen sein muss. Das heißt, es ist „saukalt“.
Wir bummeln durch die schöne Stadt, welche mit mehreren Welterben der UNESCO glänzen kann: Das römische Amphitheater (die Arenen), das antike Theater, die Alyscamps, eine Allee gesäumt mit Sarkophagen, die Thermalbäder von Constantin, das Portal und der Kreuzgang Saint-Trophime. Wir können uns alles in Ruhe ansehen, denn es herrscht ausnahmsweise kein Touristentrubel wie sonst. Gut … wer geht am Neujahrsmorgen in eisiger Kälte (es hat heute morgen 3°) historische Baudenkmäler anschauen?



Ganz anders ist es dann in Les Baux-de-Provence. Die Parkplätze entlang der Straße sind genauso dicht belegt wie in den Sommermonaten. Das hübsche Dörfchen hoch oben in den Felsen zieht jetzt am frühen Nachmittag viele Besucher an. Wir bummeln durch die charmanten, gepflasterten Gassen, gesäumt von vielen restaurierten Renaissancehäusern. Ganz am Ende des Ortes führt der Weg hinauf zur Zitadelle. Unvermittelt stehen wir auf einem riesigen Plateau, welches auf diesem Felsvorsprung nicht zu vermuten ist. Von hier haben wir einen herrlichen Blick in die Bergkette der Alpilles und die großen Olivenhaine am Fuß der Berge.




Das Örtchen Fontvielle ist nur wenige Kilometer von Les Baux-de-Provence entfernt. Hier finden wir auf dem örtlichen Stellplatz einen prima Schlafplatz etwas außerhalb des Ortes, aber dafür sehr ruhig.
Eine gute halbe Fahrstunde von Fontvielle entfernt liegt Saint-Rémy-de-Provence. Entlang der Alpilles erreichen wir das sehr lebendige und lebenswerte Städtchen. Schließlich trägt es nicht umsonst den – allerdings inoffiziellen – Namen „Hauptstadt der provenzalischen Lebensart“.
Die Stadt hat eine große Bedeutung im Zusammenhang mit Vincent van Gogh. Der niederländische Maler wurde hier in seinen letzten Lebensjahren in einer psychiatrischen Klinik behandelt, die im Kloster St. Paul de Mausole untergebracht war. Farben, Pinsel und Leinwand versagten die Ärzte ihrem berühmten Patienten nicht, und so entstanden in dieser Phase viele heute weltberühmte Bilder.
Nicht ganz so viel ist von einem weltberühmten Mann zurückgeblieben, der in Saint-Rémy das Licht der Welt erblickt hat. Kein Geringerer als Nostradamus wurde hier am 14. Dezember 1503 unter dem Namen Michel de Nostradame geboren. Über Arles zog er später weiter nach Montpellier, wo er seine berühmten Vorhersagen traf. In Saint-Rémy erinnert heute noch ein Brunnen in der Rue Carnot in der Altstadt an ihn.
Unweit von Saint-Rémy befindet sich mit Glanum einer der bedeutendsten archäologischen Ausgrabungsorte Frankreichs. Die Überreste der römischen Stadt reichen bis zur Zeitenwende zurück. Die wichtigsten Monumente sind die so genannten „Antiken“. Dazu zählen ein komplett erhaltenes Mausoleum sowie ein Triumphbogen.





Wir müssen heute unbedingt unsere leere französische Gasflasche gegen eine volle austauschen. Das geht normalerweise am einfachsten an der Tankstelle eines Supermarkts. Da diese inzwischen meistens keine Kasse mehr haben, sondern alles mit der Kreditkarte an der Zapfsäule bezahlt wird, ist auch niemand mehr da, die Gasflaschen auszuhändigen. Auch dafür gibt es jetzt Automaten! Wir schauen erstmal wie das alles funktioniert, bauen dann unsere Flasche aus dem Gasflaschenkasten aus und schleppen sie zum Automaten. Und französische Stahlflaschen sind wirklich „Sackschwer“. Wir bedienen den Automaten bis zu dem Punkt, an dem unsere neue, volle Flache aus dem Fach kommen soll. Das Türchen öffnet sich … und unsere leere Flasche ist wieder da!
Zufällig kommt eine Mitarbeiterin des Supermarkts vorbei. Ihr schildern wir den Vorgang, vor allem aber, dass wir ja am Automaten schon bezahlt haben. Für sie kommt aber nur in Frage, dass wir die leere Flasche in den Supermarkt tragen. Der ist aber gute 400 Meter von der Tankstelle entfernt. Alles lamentieren nützt nichts, so sind die Vorschriften! Meine Empfehlung, an den Automaten einen Zettel zu hängen auf dem steht, das das hier alles nicht funktioniert (das hat sie uns bestätigt), wiegelt sie mit einem charmanten Kopfschütteln ab.
Wir schleppen also die leere Flasche zum „Acceuil“ des Supermarktes, bezahlen noch einmal (nachdem uns versichert wurde, dass der Automat nichts von unserer Kreditkarte abgebucht hätte), marschieren wieder zurück zum Gasflaschenlager und erhalten endlich unsere volle Gasflasche.
Erkenntnis aus der Misere: Ich kann astrein auf französisch schimpfen!!
Da uns der Stellplatz in Fontvielle gut gefallen hat, fahren wir das kurze Stück zurück und übernachten in einem muckelig warmen Wohnmobil, mit viel frischem Gasvorrat.


Heute wollen wir ein kleines Stück wieder zurück Richtung Norden fahren. Auf kleinen, winkeligen, kurvigen Sträßchen kommen wir via Cavaillon nach Pernes-les-Fontaines. Im „Café de la Place“ bekommen wir den letzten freien Tisch und genießen eine leckere „Plat du Jour“ inmitten von einheimischen Arbeitnehmern. Es ist immer wieder schön, den ursprünglichen Alltag der Franzosen mitzuerleben.
Pernes-les-Fontaines rühmt sich, über 40 Brunnen zu besitzen. Einige davon haben wir gefunden, aber der Ort ist ansonsten doch eher unscheinbar, so dass wir unseren Rundgang bald beenden.
Nach Carpentras ist es nicht weit, und von dort gehts auf und ab auf einem schmalen Sträßchen, vorbei an Le Barroux, nach Malaucène. Eingebettet in die Vaucluse liegt das Dorf am Fuße des Mont Ventoux. Das Örtchen lebt von Landwirtschaft, Weinbergen, Handwerk und Tourismus, und vor allem von den unzähligen Radfahrern, welche die Herausforderung des Mont Ventoux annehmen wollen. Wer hier eine Panne hat oder Zubehör für sein Fahrrad kaufen will, ist mit entsprechenden Werkstätten und Geschäften bestens versorgt.

Es ist heute ein herrlichen Morgen. Blauer Himmel, kein Wind … beste Voraussetzungen um auf den Mont Ventoux zu fahren. Allerdings nicht bis zum Gipfel, denn der legendäre Berg ist über die Wintermonate gesperrt. Trotzdem genießen wir die Auffahrt von Malaucène aus mit streckenweise immerhin 12% Steigung. 3 Kilometer vor der Passhöhe ist die Straße gesperrt. Trotzdem haben wir einen wunderbaren Blick auf die Bergkette die nördlich vor uns liegt. Und wir haben den legendären Berg der Tour de France endlich einmal, zumindest teilweise, erklommen, wenn auch „nur“ mit dem Wohnmobil. Schön …


Die Abfahrt geht zurück nach Malaucène und von dort auf ein kurzes Stück bis nach Vaison-la-Romaine. Es ist ein geschichtsträchtiger Ort. Bereits im Bronzezeitalter siedelten hier Menschen, noch bevor die Stadt zu Zeiten der Gallier und Römer ihre Blütezeit erlebte. Die Lage inmitten von sieben Hügeln an den Ausläufern des Mont Ventoux und die Tatsache, dass hier Antike, Mittelalter und Neuzeit an einem Ort erlebt werden können, machen Vaison-la-Romaine zu einem besonderen Reiseziel in der Provence. Einst trug die Stadt den Namen Vasio Vocontiorum. Heute ist Vaison-la-Romaine die größte archäologische Ausgrabungsstätte Frankreichs, wobei die meisten Spuren aus dem 1. und 2. Jahrhundert nach Christus stammen. Bisher wurde nur etwa ein Fünftel der römischen Stadt ausgegraben, während sich weitere Reste unter der „Neuen“ Stadt befinden.



Nach der ausgiebigen und äußerst interessanten Besichtigung von Vaison-la-Romaine beginnt leider die Heimreise. Wie fahren noch bis Aix-les-Bains, das wir erst bei Dunkelheit am frühen Abend erreichen. Am nächsten Morgen gehts dann über Genf, Lausanne, Bern und Basel zurück nach Staufen im Breisgau.

