Elsass-Perigord

Vom Elsass ins Périgord – Teil I

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Der Start dieser Reise beginnt nur einen Steinwurf von zu Hause entfernt, in Ribeauvillé im benachbarten Elsass. Wir starten mit einem Wochenendausflug, denn meine Frau muss im Anschluss leider zurückfahren und zur Arbeit gehen. Ich habe das unschätzbar wertvolle Privileg, die Reise fortzusetzen. Zu meinem Bedauern alleine. Geplant ist, dass wir uns in zwei Wochen am Flughafen in Bordeaux wieder treffen und eine gemeinsame Woche am Atlantik verbringen.

Ribeauvillé war seit jeher ein wichtiges Handelszentrum. Dies wird durch zahlreiche historische Chroniken belegt. Heute ist der Ort bekannt für seine Weinproduktion, einschließlich des „Grand Cru Pinot Noir“ und verschiedene Weißweine, sowie für sein architektonisches Erbe. Überall in der Stadt sind viele mittelalterliche Überreste zu entdecken.

Ribeauvillé
Ribeauvillé

Jedes Jahr am ersten Septembersonntag findet in Ribeauvillé der traditionelle „Pfifferdaj“ statt. Das Fest der „Pfeiffer“ ist das älteste Fest im Elsass. Es behandelt verschiedene Aspekte der Geschichte des Mittelalters: das Leben der Bauern und das der Gutsherren auf dem Schloss, Haus- und Fabeltiere, Bauten, Reisen, Entdeckungen, Arbeiten, Berufe, (Aber-)Glaube, Glück und Unglück. Beim festlichen Umzug, der jedes Jahr unter einem bestimmten Motto steht, geht es oft recht deftig zu. Geschmückte Wagen ziehen durch Ribeauvillé und versetzen die Zuschauer zurück in die Zeit des Mittelalters. Begleitet werden diese von Spielmannszügen, Fahnenträgern und buntem Fußvolk aus ganz Frankreich und den Nachbarländern. Geografisches Ziel des Umzugs ist der Dorfbrunnen, aus dem am Pfifferdaj kein Wasser, sondern Elsässer Wein fließt.

Pfifferdaj
Pfifferdaj
Pfifferdaj
Pfifferdaj
Pfifferdaj

Wir machen vor der Weiterfahrt noch einen Abstecher zum Odilienberg und zum Kloster der Heiligen Odilie. Dies liegt in der Nähe von Obernai und Barr.

Das Kloster wurde im 7. Jahrhundert von Odilia (sie kam angeblich blind zur Welt) errichtet. Der Ort wurde bis ins Mittelalter als Frauenkloster genutzt und später nach der heiligen Odilia (heute Odilie), der Klostergründerin und Schutzpatronin des Elsass, benannt. Der Odilienberg ist heute der bedeutendste Wallfahrtsort der Region und gilt als „Heiliger Berg des Elsass“. Unterhalb des Klosters entspringt in einer Felsgrotte eine Quelle, deren Ursprung auf die Heilige Odilie zurückgeführt wird. Der Sage nach schlug sie mit ihrem Wanderstab auf den Felsen, um einem Leprakranken zu helfen, der dort erschöpft ruhte. Dabei soll die Wunderquelle aus dem Felsen entsprungen sein. Die Quelle, deren Wasser die Heilung von Augenerkrankungen nachgesagt wird, trägt den Namen der Heiligen Odilie.

„Heiliger Berg des Elsass”
Odilienberg
Odilienberg

Ich nutze den späten Nachmittag, um noch bis Gérardmer zu fahren. Im Ort ist Jahrmarkt und Rummel – der Stellplatz ist gefüllt mit Kirmesständen und Fahrgeschäften. Gut, dass ich einen schönen Übernachtungsplatz außerhalb von Gérardmer kenne, an den Skiliften. Es geht sehr steil bergauf, aber belohnt werde ich mit einem wunderschönen Blick über den See von Gérardmer, dem größten Natursee der Vogesen.

Nach einem typisch französischen Frühstück in einer Patisserie (Milchkaffee und Croissant) mache ich mich auf den Weg nach Luxeuil-les-Bains. Ein Kurort mit einem Thermalbad am Rand der Vogesen, welcher schon etwas aus der Mode gekommen scheint. Es gibt aber zahlreiche Stadthäusern aus dem 15. und 16. Jahrhundert zu bestaunen. Die romanisch-gotische Basilika Saint-Pierre, eine ehemalige mittelalterliche Abtei aus dem 13. Jahrhundert, steht mächtig und trotzig mitten in der Stadt.

Luxeuil-les-Bains
Luxeuil-les-Bains
Luxeuil-les-Bains
Luxeuil-les-Bains

Mein nächstes Ziel, Vesoul, ist eine sehr angenehme Stadt mit schönen Gassen, eleganten Fassaden und ruhigen Hinterhöfen. Zahlreiche alte Häuser aus dem 16. bis 18. Jahrhundert umgeben die im 18. Jahrhundert errichtete Kirche. Die Stadt im Becken des Durgeon, einem Nebenfluss der Saône, entstand im 13. Jahrhundert am Fuß einer Burg an der Stelle einer frühgeschichtlichen Siedlung und später eines römischen Legionslagers (Castrum Vesulium).

In Vesoul befindet sich eine der Fabriken der PSA-Automobilwerke, der „Heimat“ meines Wohnmobils auf Peugeot Basis. 1968 verewigte Jacques Brel die Stadt in seinem Chanson „Vesoul“. Jedes Jahr im Oktober findet dem Sänger zu Ehren ein Festival des französischsprachigen Chansons statt.

Vesoul

Wenige Kilometer außerhalb von Vesoul ist der Lac Vesoul-Vaivre. Ich finde dort einen prima Schlafplatz direkt am See.

Das Gezwitscher der Vögel weckt mich am nächsten Morgen auf. Ich bin erstaunt, wie munter die Tierchen sind, denn heute Nacht war es grade einmal 14 Grad warm (kalt). Aber nach der wahnsinnigen Hitze der letzten Wochen ist das sehr angenehm. Es ist Anfang September, leider steht der Herbst schon vor der Türe. Aber noch ist Spätsommer!

Ich fahre das kurze Stück zurück nach Vesoul, um dort zu frühstücken. So beginnt der Tag herrlich. Ein dampfender Café au lait und dazu ein herrlich duftendes Croissant.

Auf stark befahrenen Nationalstraßen fahre ich weiter nach Beaune. Der für PKW und Wohnmobile gemischte Parkplatz ist inzwischen zu einem rein gebührenpflichtigen Stellplatz mit Einfahrtschranke umfunktioniert. Allerdings sind die ersten vier Stunden gratis.

Ich flaniere durch die Stadt und erfreue mich an schönen Renaissance-Stadthäusern, hübschen Fachwerkhäusern und charmanten Innenhöfen. Mein Ziel ist das Hospiz Hôtel-Dieu, das im 15. Jahrhundert auf Wunsch des Kanzlers des Herzogs von Burgund errichtet wurde, um den bedürftigsten Kranken zu helfen. Es ist wohl eines der ersten Krankenhäuser. In diesem Bauwerk mit den berühmten Dächern aus glasierten Ziegeln befindet sich heute ein Museum für Medizingeschichte. In diesen Räumen findet im November die weltweit größte Weinversteigerung statt, deren Ertrag zum Teil der Erhaltung des Hôtel-Dieu dient.

Beaune – Hôtel-Dieu
Beaune – Hôtel-Dieu
Beaune – Hôtel-Dieu
Beaune – Hôtel-Dieu
Beaune – Hôtel-Dieu
Beaune – Preistafel einer Weinauktion

Ich bummle lange durch das schöne Städtchen, will aber hier nicht übernachten, sondern noch bis nach Moulins weiterfahren. Es gibt dort einen sehr schönen Übernachtungsplatz direkt am Fluss mit Blick auf die mittelalterliche Brücke über die Allier und die Silhouetten der Kirchen und Türme der gegenüberliegenden Stadt.

Schon häufig haben wir Moulins als Übernachtungsplatz gewählt. Die Stadt ausgiebig besichtigt haben wir aber noch nie. Ein großer Fehler! Moulins ist ein wunderschöner Fleck in Frankreich mit tollen Sehenswürdigkeiten, schönen Plätzen und viel Grün. Ich bin sofort von diesem Ort begeistert.

Moulins erlebte sein goldenes Zeitalter im 15. Jahrhundert, als die Herzöge von Bourbon in der Stadt am Allier residierten. Noch heute wird die Region des nördlichen Zentralmassivs nach ihnen „Bourbonnais“ genannt. Der Name der Stadt bezieht sich auf die Mühlenschiffe, die auf dem Allier noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts verkehrten und für den Transport der Getreideernten aus diesem Teil des Landes zuständig waren.

Moulins – Cathédrale Notre-Dame-de-l’Annonciation
Moulins – Cathédrale Notre-Dame-de-l’Annonciation
Moulins – Château des Ducs de Bourbon
Moulins – Château des Ducs de Bourbon
Moulins – Tour Jacquemart
Moulins

Nach der sehr interessanten Besichtigung von Moulins möchte ich mir das mittelalterliche Dorf Charroux ansehen, welches nicht weit entfernt ist. Der Ort zählt zu den schönsten Dörfern in Frankreich (Les Plus Beaux Villages de France). Auf kopfsteingepflasterten Straßen und Gassen geht es hinauf in diese charmante Ortschaft. Grade einmal gut 300 Einwohner hat das Dorf.

Charroux war im Mittelalter mit zwei Mauern und acht Stadttoren befestigt, wovon nur noch Überreste einer der Mauern sowie zweier Tore erhalten sind. Eine Kirche aus dem 12. Jahrhundert mit Glockenturmstumpf und Uhrturm, sowie Wohnhäuser mit Fachwerk und Erkern aus dem 14. Jahrhundert gibt es zu bestaunen. Und auch das Mittagessen in einem kleinen familiären Bistro ist ausgezeichnet!

Charroux
Charroux
Charroux

Der Parkplatz am Ortseingang unter alten Bäumen wäre auch ein wunderbarer Übernachtungsplatz. Mich aber zieht es weiter Richtung Périgord.

In Corrèze soll es einen schönen Übernachtungsplatz geben. Der Ort liegt auf meiner Route und unweit der Autobahn. Ich will mir den Ort und den Stellplatz anschauen. Der Stellplatz ist jedoch erstens kaum zu finden, zweitens sehr weit außerhalb des Städtchens und drittens überhaupt nicht schön. Aber dem Ort selbst möchte ich dennoch eine Chance geben.

Das charmante Dorf, das am Ufer des gleichnamigen Flusses nordöstlich von Tulle liegt, hat mit seinen Schieferdächern einen echten Mittelaltercharme. Und der ist durchaus sehenswert. Rund um die Kirche stehen mehrere Wohnhäuser aus der Renaissance, sowie herrschaftliche Stadthäuser aus dem 17. Jahrhundert, die sehr elegante Fassaden besitzen.

Corrèze
Corrèze

Nach der Besichtigung des Ortes (ich war weit und breit der einzige Fußgänger), will ich heute noch weiterfahren bis nach Rocamadour. Dem ersten bedeutenden Ziel dieser Reise.

Heute Nacht hat es das erste Mal geregnet. Ein paar kurze Schauer, morgens scheint schon aber wieder die Sonne. Allerdings hat es deutlich abgekühlt und ein kräftiger Wind weht um das Wohnmobil. Ich marschiere zum Bäcker, kaufe mir ein herrlich duftendes, frisches Baguette und frühstücke heute einmal im Wohnmobil. Ansonsten gehe ich schon sehr gerne frühstücken, denn ein frisches Croissant und ein Milchkaffee sind einfach Frankreich pur!

Ich marschiere die lange Straße der Jakobspilger entlang, die steil von l’Hospitalet nach Rocamadour hinunter führt. Im l’Hospitalet war zu den Hochzeiten der Jakobspilgerschaft ein Hospital für kranke Pilger errichtet worden. Leider stehen von diesem Gebäude nur noch die Grundmauern.

Rocamadour stellt eine einmalige Besonderheit dar: Es ist „senkrecht“ gebaut. Über einem Bach die Häuser, über den Häusern die Kirche, über der Kirche der Fels und auf dem Felsen die Burg. Der Sage nach lebte in einer Grotte des Felsens ein Eremit namens Amadour. Seinen Leichnam fand man im Jahr 1166 unverwest in einem Grab unter dem Altar der Kirche Notre Dame. Dieses Wunder und die gleichzeitige Marienverehrung durch die Benediktinermönche machten Rocamadour alsbald zur Wallfahrtsstätte. Im selben Jahrhundert gehörte der Ort bereits zum festen Bestandteil der Jakobspilgerschaft, obwohl er nicht am eigentlichen Jakobsweg lag. Die Jakobsbruderschaft baute viele Herbergen und sogar ein Spital in Rocamadour. Verbunden wird die senkrechte Stadt über eine große Treppe. Damit gelangt man vom „profanen Teil der Stadt“ in den „heiligen Bezirk“. Auf halber Höhe der „Grand Escalier“ hängt an der Mauer eine Tafel, die daran erinnert, dass Rocamadour die älteste Pilgerstätte Frankreichs ist und zusammen mit Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela zu den vier größten Wallfahrtszielen der Welt gehört.

Die Stadt, die seit dem Mittelalter als Hochburg des Christentums gilt, bietet viele Sehenswürdigkeiten. Zum UNESCO-Welterbe ernannt, erwarten die Besucher die Schreine und insbesondere die Kapelle der Schwarzen Madonna, nachdem sie die 216 Stufen der Pilgertreppe erklommen haben.

Rocamadour
Rocamadour
Rocamadour
Rocamadour
Rocamadour

Von den Kirchen aus führt ein Kreuzweg hinauf zum Schloss. Steil geht es entlang der zwölf Kreuzwegstationen nach oben. In einem wunderbaren Wald mit altem Baumbestand findet man die Ruhe und Stille, die in den Kirchenanlagen leider nicht mehr zu finden ist.

Rocamadour – Kreuzweg
Rocamadour – Kreuzweg

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